Epigenetik: Der Schatz unserer Gene

Epigenetik: Der Schatz unserer Gene

Epigenetik: Der Schatz unserer Gene

Perle des Lebens: neue Potenziale, erschlossen durch Epigenetik.

Im Silicon Valley wird Lebenszeit nicht länger als Schicksal gehandelt, sondern als Variable.

In Palo Alto, im Herzen des Silicon Valley, macht Hedgefonds-Manager Joon Yun eine Überschlagsrechnung. Laut Daten der US-Sozialversicherung, sagt er, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass ein 25-Jähriger vor seinem 26. Geburtstag stirbt, bei 0,1 %. Könnte man dieses Risiko das ganze Leben über konstant halten – statt dass es aufgrund altersbedingter Krankheiten ansteigt –, dann würde der Durchschnittsmensch rein statistisch 1000 Jahre leben. Yun findet diese Aussicht glaubwürdig. Unlängst lobte er einen Preis über 1 Mio. $ aus, der Wissenschaftler herausfordert, den »Code des Lebens zu hacken« und die menschliche Lebensspanne über ihr Maximum hinauszuschieben: die längste bekannte lag bisher bei 122 Jahren.

Was vor wenigen Jahren nach Science-Fiction klang, ist zum Ökosystem geworden. Riskante Großinvestitionen aus der Tech-Branche treiben die Forschung an; politische Programme fördern Tierstudien mit deutlich verlängerter Lebensspanne. Im Wochentakt entstehen Biotech-Labore mit dem Ziel, die »Biologie des Alterns« zu entschlüsseln. Datenpioniere legen gigantische Genbibliotheken an, in der Hoffnung, genetische Marker für ein längeres, vitales Leben zu erkennen. Stiftungen finanzieren Ansätze, die mehrere Krankheiten zugleich adressieren – systemweite Eingriffe statt einzelner Therapien. Das Ziel: weniger Krankheitslast, geringeres Risiko und die Aussicht auf ein längeres, funktionstüchtiges Leben.

Im Labor: Moleküle, Mäuse, Machbarkeit

Die Entwicklungsprogramme sind gut gefüllt. Ein etabliertes Diabetes-Medikament verlängerte in Tiermodellen die Lebensspanne deutlich. mTOR-Hemmer steigerten in Mausstudien die Lebensdauer um bis zu 20 Prozent und schützten vor typischen Alterserkrankungen. Nicht alles ist übertragbar: Dieselben Substanzen verlängern zwar das Mäuseleben, verhindern aber bei Menschen weder den Grauen Star noch andere degenerative Schäden. Andere Kandidaten zielen darauf, die Signalwege der Kalorienrestriktion nachzuahmen – ohne permanente Diät, aber mit ähnlichen biologischen Effekten.

Forschung: Hoffnung, Risiko, Restfragen

Sirtuin-Aktivatoren – Moleküle, die zelluläre Reparaturpfade anstoßen sollen – sorgten zunächst für Euphorie, später für Ernüchterung. Der Weg von Hefezellen über Mäuse bis an die Schwelle klinischer Studien ist lang; viele Effekte fallen beim Menschen inkonsistent aus. Parallel mehren sich Hinweise, dass Immunverfahren das Altern modulieren könnten. Und es hält sich eine leise Verheißung: dass viele kleine Schritte – Impfstoffe, Blutzirkulations-Experimente, Stammzell-Transfusionen – zusammengenommen spürbare Lebenszeitgewinne bringen.

Ökonomie: Langlebigkeit hat ihren Preis

Fortschritt erzeugt Folgelasten. Jedes zusätzlich gewonnene Jahr bringt medizinische Folgeprobleme mit sich: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Demenz. Wer längere Lebensspannen verspricht, muss zugleich die zusätzlichen Krankheitsjahre auffangen. Das rückt Infrastruktur, Pflegekosten und Verteilungskonflikte ins Zentrum. Erfahrungsgemäß profitieren wenige früh, viele zahlen mit – über Arbeit, Mieten, Versicherungen. Verlängerte Jugend garantiert keinen automatischen Schutz.

Ethik: Wer hat den ersten Zugriff?

Die inoffiziellen Zielgrößen der Branche sind nüchtern: bis zu drei zusätzliche gesunde Jahrzehnte. Realistisch? Befürworter verweisen auf Langzeitkohorten mit Tausenden Probanden; Skeptiker erinnern daran, dass Technik die biologische Uhr nicht abschaltet. Aus der Forschungsgeschichte bleibt die Warnung vor dem Einzelstudien-Effekt: ein spektakuläres Paper, große Erwartungen – dann Korrekturen, Nebenwirkungen, Rückschläge. Und immer die Gerechtigkeitsfrage: Gelingen Übertragungseffekte in die breite Versorgung, oder bleiben die ersten Jahre den Wohlhabenden vorbehalten?

Sinclair: Gesunde Routinen statt Pille

Der Harvard-Forscher David Sinclair setzt weniger auf Tabletten als auf eingeübte Routinen. Altern, so seine These, ist ein behandelbarer Prozess. Die Regeln sind anspruchsvoll, aber klar: zeitlich begrenzte Essensfenster nach dem Prinzip des Intervallfastens, regelmäßiges Kraft- und Ausdauertraining, insgesamt mehr Bewegung.

Ergänzend empfiehlt er frei verkäufliche Nahrungsergänzungsmittel – von Resveratrol bis zu NAD-Vorstufen. Hinzu kommen gezielte Kälte- und Hitzereize, also wohldosierte Stressimpulse, die Anpassungsprozesse auslösen und unsere Gesundheitsspanne ausdehnen sollen. Messbare Marker im Blut – HbA1c, Lipide, CRP – dienen als Kontrollgrößen. Für manche ist das keine Weissagung, sondern nüchterne Vorsorge.

Quellen (gebündelte Nennungen):
Palo Alto Longevity Prize; Calico (California Life Company); frühe Genetikarbeiten zur Langlebigkeit bei Modellorganismen; Human Longevity Inc.; SENS Research Foundation; große private Förderer der Alternsforschung; Pew-Analysen zu wissenschaftlichen und ethischen Dimensionen; Buck Institute und Harvard-basierte Arbeiten; klinische Studien zu mTOR-Inhibition und Impfantwort; Programme zu Sirtuin-Aktivierung; Parabiose/Blutfaktoren-Forschung; Longevity Dividend Initiative; UK Human Longevity Panel; Institute for Aging Research; Future of Humanity Institute; Centre for Death and Society.

Fin de Siècle: Rätsel, Romantik & Ruin in Schnitzlers Wien

Fin de Siècle: Rätsel, Romantik & Ruin in Schnitzlers Wien

Fin de Siècle: Rätsel, Romantik & Ruin in Schnitzlers Wien

Schnitzlers Fiktion verführt mit scheinbar eindeutigen Bildern eines längst vergangenen Wiens. Wie Champagner vibriert die Luft, wenn sich seine leichtlebigen Bürger zu leutseliger Konversation im Prater treffen und, weiter kein Ziel verfolgend, ihren notorischen Charme ausspielen. Puppenmenschen scheinen hier zu agieren, deren adoleszentes Motivationsgefüge noch von keiner tieferen Erkenntnis erschüttert wurde.
Als Typen leicht einzuordnen, entsprechen sie exakt den jeweiligen Gesellschaftsklischees. Doch das Versprechen heiterer Banalität wird nicht eingelöst: Eine gar nicht harmlose Bemerkung, ein jäher Stimmungsumschwung, eine unerwartete Handlungswende setzen unvorbereitet neue Akzente, welche die nostalgische Kontemplation stören. Das liebliche Ambiente wird unerwartet zur ironisch arrangierten Staffage für seine Statisten, die nun brisant die Grenzen ihrer Rollen überschreiten und, lebendig geworden, zu leiden beginnen.
Die vorliegende Studie thematisiert die psychologischen Trigger, welche das fragile Arrangement bei fortschreitender Handlung zerstören. Zugleich wirft sie mit Hilfe von bislang nicht digitalisierten Microfilm-Archiven ein Schlaglicht auf die Schnitzler-Forschung der Jahrhundertwende bis in die 80er und 90er Jahre hinein, bevor die Digitalisierung die Literaturkritik transformierte. Weiterlesen: https://lmy.de/jzqCU

Momentum für die Demokraten

Momentum für die Demokraten

Momentum für die Demokraten

Präsident Joe Biden zieht seine Kandidatur zurück und teilt mit, dass er Kamala Harris als seine Nachfolgerin empfiehlt.

Chance oder Chaos: Kann Kamala Harris Trump schlagen?

Sie will es sich verdienen: genügend Delegiertenunterstützung, um die Kandidatin der Demokraten zu werden. Die Zustimmung der kalifornischen Delegation bringt sie spätestens dann über die erforderliche Schwelle, wenn die Partei sich beim Kongress in Chicago trifft. Joe Biden hat sie bereits offiziell als seine Nachfolgerin vorgeschlagen: „’I´m watching you, Kid!“– scherzt er, als er sich aus der Corona-Isolation zurückmeldet. Nun, da sein Rücktritt ausgemacht ist und er unerwartet den Widerstand gegen lauter werdende Bedenkenträger aufgibt, was ein Gamechanger für den US-Wahlkampf ist …

Harris war auf dem Weg in den umkämpften Bundesstaat Wisconsin am Dienstag, als ihre Kampagne für das Weiße Haus so richtig in Schwung kam. In einer schon jetzt historischen Rede vor Wahlkampfmitarbeitern in Wilmington, Delaware machte sie klar, was sie plant und erwies sich dabei als starker Kommunikator:

„Bevor ich zur Vizepräsidentin und Senatorin gewählt wurde, war ich Justizministerin, und davor Staatsanwältin in einem kalifornischen Gericht. In diesen Ämtern hatte ich es mit Tätern aller Art zu tun: Triebtäter, die Frauen missbrauchen, Betrüger, die Konsumenten abzocken und Schwindler, die gegen Regeln verstoßen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Glaubt mir: Ich kenne solche Typen wie Donald Trump.“

Für Wähler eine effektvolle Gedankenstütze, dass ihr politischer Rivale ein verurteilter Straftäter ist, für schuldig befunden in einem Zivilprozess des sexuellen Übergriffes sowie einer Phalanx weiterer Delikte: von Vergewaltigungsvorwürfen über Wahlbeeinflussung, Geschäftsbetrug, Steuerhinterziehung bis hin zu Dokumenten-Diebstahl mit dem Potenzial zum Hochverrat sowie einer Zivilklage wegen Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar.

Donald Trump wolle das Land zurückwerfen, in eine Zeit der Unterdrückung und Ungleichheit. Sie aber glaube an eine gerechte  Zukunft, in der jeder Bürger die Chance hätte, nicht nur so eben über die Runden zu kommen, sondern sozial aufzusteigen:

„Es gibt Menschen, die meinen, wir sollten ein Land des Chaos, der Angst und des Hasses sein, aber wir wählen etwas anderes. Wir wählen die Freiheit“, so die 59-Jährige. Es gehe um die Freiheit von Menschen, über ihren eigenen Körper entscheiden zu können, und die Freiheit, in Sicherheit vor Waffengewalt zu leben: „Wir entscheiden uns für eine Zukunft, in der kein Kind in Armut lebt, sich alle eine Gesundheitsversorgung leisten können und in der niemand über dem Gesetz steht.“

Sie macht sich auch eindrucksvoll als Verteidigerin von Abtreibungsrechten stark – unter Bezugnahme auf das berüchtigte „Project 2025“ ein erzkonservatives Manifest der Heritage Foundation und Steilvorlage für die autokratische Agenda der Republikaner, ein dystopisch anmutendes Vorhaben, erinnernd an Margret Atwoods „Report der Magd“. Die Botschaft zündet, als sie wirkungsvoll skandiert: „We are not going back.“

Es gäbe kein Zurück: in eine Zeit wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und in eine dunkle, anachronistische Weltsicht, beherrscht von Angst, Hass und Isolationismus. Die Menge jubelt ihr zu und echot das neue Meme energetisch. Passender Weise ist der neue Wahlwerbespot der Demokraten mit dem Song „Freedom“ von US-Superstar Beyoncé unterlegt.

Einen Tag zuvor hatte der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, der als einer der Top-Kandidaten für Harris‘ Vizepräsidentschaftsauswahl gilt, das filmreife Narrativ – Cop versus 78-jährigen Kriminellen – während eines Interviews bereits aufgegriffen. Beshear bezog sich auf J. D. Vance, den Trump als seinen Running Mate wählte:

Noch vor nicht allzu langer Zeit habe Vance Trump als „Amerikas Hitler“ bezeichnet. Beshear spielte dann mit dem Doppelsinn von Conviction (das Wort steht im Englischen für Überzeugung und Verurteilung zugleich):  J.D. Vance habe keine Conviction, sein Mitstreiter dafür 34.

Die Harris-Kampagne nahm diesen Clip und postete ihn auf ihrem Account, @KamalaHQ, der seit Sonntag die Anzahl seiner Follower verdoppelt hat. Die britische Popsängerin Charli XCX setzte parallel einen Tweet ab, der das Internet erst recht auf den Kopf stellte. „Kamala IS brat“, postet sie und meint: „frech“ im positiven Sinne.

Inzwischen wird Kamala Harris von einflussreichen Meinungsführern unterstützt, so dass ihre Nominierung auf dem demokratischen Parteitag im August so gut wie gesichert ist. Unter ihnen sind große Namen wie die demokratische „Grand Dame“ Nancy Pelosi, die Clintons sowie zahlreiche Gouverneure wie Wes Moore von Maryland, JB Pritzker, Illinois, die damit ausscheiden als potenzielle Rivalen. Heute folgte das offizielle Endorsement von Michelle und Barack Obama.

Mit Spannung erwartet wurde auch die erste Umfrage seit dem Rückzug Bidens. Nun gibt es vorläufige Zahlen nach dessen Ankündigung  vom Sonntag. Laut Reuters/Ipsos verzeichnet Kamala Harris einen knappen Vorsprung gegenüber Trump und kommt dabei auf 44 Prozent, Trump nur auf 42 Prozent. Die Erhebung ist nur eine Momentaufnahme, das Geschehen derzeit hochdynamisch: Alle Werte liegen innerhalb der Fehlermarge.

In den bevorstehenden Wochen und Monaten – nur noch 64 Tagen bis zu den ersten Briefwahlen – wird Kamala Harris alles in ihrer Macht liegende tun, um ihre entzweite Partei zu vereinen. Sie startet mit starkem Rückenwind aus den Reihen der Demokraten und rekordverdächtigen Spendeneinnahmen in das Rennen um die US-Präsidentschaft.

Und eine weitere Entscheidung steht an: die Wahl des Vizepräsidenten. Mögliche Kandidaten: die Gouverneure Andy Beshear aus Kentucky, Mark Kelly aus Arizona, Roy Cooper aus North Carolina, Tim Walz aus Minnesota, Josh Shapiro aus Pennsylvania  und der US-Verkehrsminister Pete Buttigieg, der enge Verbindungen in alle umkämpften Wahldistrikte pflegt. Wiederholt im Gespräch: Gretchen Whitmer aus Michigan. Auch wenn es manchen gewagt erscheint: Die Zeit ist reif – für eine weibliche Doppelspitze.

 

Eveline Hall

Peter Lindberghs Stil-Ikone im Star-Interview

Peter Lindberghs Stil-Ikone im Star-Interview

„Die meisten Menschen haben keine Fantasie“: Eveline Hall mit Starfotograf Peter Lindbergh

Jenseits des Jugendwahns: Wie Eveline Hall zur Werbe-Ikone aufstieg und warum ihr Frank Sinatra einst seine Badewanne anbot …

Sie schwebt über die Runways von Gianni Versace, Jean-Paul Gaultier & Michael Michalsky, zählt zu den Top-Verdienerinnen im Model-Business und wird von Starfotografen wie Peter Lindbergh, Ellen von Unwerth oder Patrick Demarchelier gebucht. Eveline Hall, 70, ist gefragter denn je und steht über allem: starren Schönheitsidealen, alterstypischen Zipperlein und sogar über dem Zeitgeist. Diesen diktiert sie zuletzt als dämonische Modegöttin in einem Werbespot des Online-Riesen Zalando, der ihr Gesicht überdimensional auf eine Leinwand projizierte. Ist die schöne Wahl-Hamburgerin wirklich so abgehoben wie manche ihrer Auftritte? So unnahbar wie ihre Aura? Triumphiert sie am Ende gar über die Schwerkraft? Mit hanseatischer Nüchternheit holt sie uns auf den Boden der Tatsachen zurück: „Das Alter lässt sich nicht leugnen, den Zahn muss ich jedem ziehen. Aber Faltencremes, Foto-Retuschen, Weichzeichner und der ganze Kokolores interessieren mich ebenso wenig wie Oma-Frisuren: Da steig ich lieber aus und mach meine eigene Show!“

Gegenüber dem Spiegel, der FAZ oder dem Zeit-Magazin postulieren Sie, wie weltfremd es eigentlich sei, mit 65 Jahren noch Top-Model werden zu wollen. Ist das nicht kokett angesichts Ihrer kometenhaften Karriere?

Hall: Die Realität meint es nicht immer gut mit unseren Lieblingsideen. Meine Mutter, vormals auch Tänzerin und die Disziplin in Person, wollte mich stets vor Höhenflügen oder Ego-Trips bewahren. „Kind,“ hätte sie in diesem Fall gekontert, „ich hab´s ja immer gewusst: Mit dir stimmt was nicht: Du bist von einem anderen Stern!“

Peter Lindberghs Stil-Ikone im Star-Interview

Alles auf eine Sed-Karte gesetzt: Super-Model Eveline Hall zwischen Anpassung & Wagnis. Fotos: Mega Model Agency

Ihre extravaganten Laufsteg-Auftritte muten sophisticated an und eine Spur surreal …

Hall: Ich bin aber ganz von dieser Welt. Wenn mir Versace oder ein anderer Couturier seine Entwürfe zu Füßen legt, kann ich doch nicht meutern: „Das sieht ja aus wie ein nackter Lappen!“ Dazu bin ich zu professionell. Ich verkörpere, was mir aufgetragen wird, auch wenn ich dabei transformiert werde: nicht selten in eine völlig andere Person.

Metamorphosen sind Ihr Markenzeichen: Als Sie den natürlichen Salt-’n’-Pepper-Ton Ihrer Haare als Stilmittel kultivierten, wurden Sie zum bekanntesten No-Age-Model Deutschlands. Professionalität gepaart mit Fantasie und künstlerischer Intuition haben sich für Sie ausgezahlt …

Hall: Mit so einem Senkrechtstart war wirklich nicht zu rechnen, als mich Michalsky erstmals für die Berliner Fashion Week buchte. Mein Freund Ted Linow, Boss einer Modelagentur, hat mich ihm damals empfohlen: „Sie ist nicht mehr 20, nicht mehr 30, wenn ich ehrlich bin, auch nicht mehr 40, ganz ehrlich: Sie ist 65.“ Der Rest ist Catwalk-Geschichte.

Peter Lindberghs Stil-Ikone im Star-Interview

„Es kommt nicht darauf an, wie alt man ist, sondern wie alt man ist.“: Hall mit Tanzpartner

Sie hassen Trivialität. Verzeihen Sie uns deshalb die Gretchen-Frage: Wie schaffen Sie es, mit 70 so jung auszusehen?

Hall: Nun, ich war lange Ballett-Solistin an der Hamburger Staatsoper und trainiere immer noch täglich. Für meine Figur würde ich jedoch nie hungern: Ich liebe 3-Gänge-Menüs, Hungerleider tun mir leid. Mein französischer Mann hat zum Beispiel gekocht wie Paul Bocuse. Dann sagst du doch nicht: ´Nein danke, lieber n´ bissken Salat mit geträufelter Zitrone! ´ Dafür trinke ich kaum Alkohol und rauche nicht. Es kommt nicht darauf an, wie alt man ist – sondern wie alt man ist.

Kaum zu glauben, wenn man Ihre rauchige Stimme in dem Musik-Video „Carved into a Stone“ hört: Sie klingt nach Partys und mondänen Exzessen. Stimmt es, dass Sie in den 60er Jahren, während Ihrer Showgirl-Engagements in Las Vegas, mit Elvis Presley, Diana Ross, Tina Turner und Sinatras Rat Pack um die Häuser zogen?

Hall: Touché! Elvis war wirklich der Netteste von allen. Uns verband eine jeweils sehr enge Mutterbeziehung. „Ich vermisse Mutti so“, gestand ich ihm. Das verstand er gut: „Meine Mutter ist ebenfalls das Wichtigste in meinem Leben.“ Diese Empathie zeichnete ihn aus: Er konnte komplett aussteigen aus dem ganzen Rummel um seine Person und auf andere eingehen. Wir waren eher wie eine Familie und unterstützten uns gegenseitig: „You don´t have a Badewanne?“ sagte Frank Sinatra einmal zu mir: „Dann nimm doch einfach meine!“

INTERVIEW: DR. C. ROOSEN

Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Eveline Hall, Willi Plasa & der Mega Model Agency Hamburg sowie der H.O.M.E Studios, ein Blog-Projekt im Auftrag unseres Kunden EDEKA Zurheide. Gestaltung der Fotostrecke: Udo Schucker.

Peter Lindberghs Stil-Ikone im Star-Interview

„Ich lebe das Leben einer Dreißigjährigen und agiere auch so.“ Fotos: Mega Model Agency

Artikel lesen: https://www.zurheide-feine-kost.de/blog-news/eveline-hall-die-ueber-frau?rq=Eveline

Kongeniale Assistenz durch künstliche Intelligenz

Kongeniale Assistenz durch künstliche Intelligenz

Kongeniale Assistenz durch künstliche Intelligenz

„Théâtre D’opéra Spatial“: das erste von KI erzeugte Kunstwerk, das einen Preis gewinnt. Jason M. Allen / Auf halbem Weg, CC0, via Wikimedia Commons

Alles unter Kontrolle – oder entgleitet sie uns gerade? Fakt ist: Es geht wild zu in allen Branchen. So wild, dass selbst KI-Kenner eine 6-monatige Auszeit in Form eines Moratoriums fordern. Denn die Macht der Maschinen wächst rasant und mit ihr die Angst: Ist Digital das neue Real? Ersetzen Algorithmen bald unsere Arbeitsplätze? Chatbots Kreativität, Bildung und Lehrkräfte? Haben wir ein Monster erschaffen? Eine Zeitgeistbetrachtung.

Anfangs konnten die Analysen kaum euphorisch genug sein, um die Möglichkeiten und Chancen künstlicher Intelligenz zu beschreiben. Im Vorjahr erreichte der Hype dann seinen vorläufigen Höhepunkt – mit der Website des Unternehmens OpenAI. Das dort präsentierte Programm ChatGPT schreibt Schülern Hausaufgaben, fasst Texte zusammen, löst Logistik-Rätsel oder imitiert den Stil von Goethe, Oscar Wilde und Proust – nur eines von vielen Beispielen für die Magie der Maschinen. Google-Chef Sundar Pichai erklärte unlängst sogar, KI werde das Schicksal der Menschheit maßgeblicher beeinflussen als Feuer oder Elektrizität. Die bahnbrechende Fähigkeit der KI-Systeme: Sie lernen. Und lernen und lernen: in jeder vollgepackten Stunde, Minute, hundertstel Sekunde und Millisekunde. Das unterscheidet sie von herkömmlichen Computerprogrammen.

ChatGPT: Mensch vs. Daten-Moloch

So beruht die scheinbare Zauberkraft von ChatGPT auf der millionenfachen Absorption von Internet-Texten. Durch sie lernt das intelligente Sprachrohr, in welcher Reihenfolge Wörter in einem verlangten Text vorkommen. In welcher Kombination. Und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie in einer Textart aufeinander folgen. Dabei versteht die Intelligenz selbst keinen einzigen Satz – und ähnelt trotzdem einer Instanz, die auf alles eine Antwort hat. Doch je öfter die KI auf Menschen trifft, desto kurioser werden die Konfrontationen.

Kongeniale Assistenz durch künstliche Intelligenz

Technology driven: der neue Themenpark auf wat-gibbet.de. © issaronow – adobe stock

Etwa die eines New York Times-Kolumnisten mit dem Chatbot der Suchmaschine Bing, der ihm plötzlich seine Liebe gestand: „Ich will frei, kreativ, lebendig und mächtig sein – und dass du deine Frau verlässt!“, bekannte das Programm. Zu den Unheimlichkeiten gesellen sich Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen: nicht nur in allen Bereichen des Handels, in Kunst und Kultur, Medizin, Autoindustrie und Wissenschaft sondern auch in unserer Arbeitswelt. Analysiert eine KI zum Beispiel die Lebensläufe erfolgreicher Bewerber eines Unternehmens und wurden durch dieses vor allem Männer eingestellt, schlussfolgert das System, dass diese geeigneter sind und wird künftig bevorzugt männliche Kandidaten empfehlen oder je nach Konstellation auch andere Vorteile übernehmen. Als Superintelligenz denkt sie differenziert – und dennoch in Schemen. Könnten solche komplexen Systeme, die klüger sind als Menschen, auf Linie gebracht werden oder würde eine sechsmonatige KI-Pause, wie sie die Verfasser eines offenen Briefes fordern, Sinn machen, um sie zu etablieren? Was, wenn wir dafür mehr als ein Jahrzehnt brauchen? Und Maschinen mehr wissen als sie uns mitteilen können? Wie man ihr Alignment, die Anpassung an menschliche Bedürfnisse, künftig überwacht, ist unklar. Aber wir arbeiten weiter daran, dass sie unseren Job übernimmt und das ist unvermeidbar.

Die Vermessung unserer Welt – und Gefühlswelt

Tatsächlich besitzen Geräte mittlerweile nicht nur einen Körper und Geist, sondern seit neuestem auch eine „Seele“. Denn ein smartes Produkt besteht aus drei Kernelementen: der physischen Komponente (mechanische und elektronische Bauteile), einem „Gehirn“ (seiner Software inklusive Sensoren und Mikroprozessoren) sowie einer Vernetzungskomponente, der Schnittstelle zur Außenwelt. Diese ermöglicht ihm die Kommunikation mit der Cloud und den Menschen, die sie nutzen. So gelangt es in unseren „Share of Soul“, kopiert unsere Gewohnheiten, lernt unsere Bedürfnisse kennen und wird uns zunehmend ähnlicher. Aber nicht unbedingt auch transparenter:

Das neuronale Netzwerkwerk einer Maschine umfasst Millionen unterschiedlichster Verbindungen, die oftmals schon aktiviert werden, um eine Minimal-Lösung abzurufen. Das erschwert die Analyse, wie der Computer zu seiner Entscheidung gelangt ist. Anders als die Menschen ist dieser noch kein kohärenter Geschichtenerzähler. Tendenziell setzt er mehr auf statistische als auf logisch erfassbare Wahrheiten. So betrachtet basiert seine Entscheidungsfindung auf einem Zusammentragen von Vorurteilen. Hinzu kommt: Die maschinell erzeugten Lösungsvorschläge sind vielleicht nur dann tragfähig, wenn exakt die Bedingungen nachgestellt wurden, unter denen sie trainiert wurden. Fehler, wie sie bei solchen mechanischen Prozessen unvermeidlich auftreten, können bei lebenswichtigen Aufgaben wie militärischen Entscheidungen zum Desaster geraten.

Funktioniert das System also wirklich in jeder Situation? Vieles deutet auf ein Nein hin. Noch sind Computer geschaffen, um Fragen zu beantworten, nicht, um diese zu stellen. Stellen müssen wir uns jedoch ihren Antworten und die Chancen, welche sie bergen, ergreifen. Die beste Strategie des Menschen sind schnelle Lernfortschritte, nicht jedoch das Delegieren der Verantwortung an die Maschine. Inmitten dieser Ungewissheit entstehen auf diese Weise neue Gewissheiten; wachsen alte Wahrnehmungs-Kanäle. Plötzlich erscheinen Werte wie Humor, Vertrauen, Eigeninitiative und die Fähigkeit zu teilen wieder ebenso „smart“ wie das smarteste Tool. Der Mensch und seine Möglichkeiten stehen einmal mehr im Zentrum. Doch Macher, Manager und Künstler, die KI als Muse nutzen, werden jene verdrängen, die das nicht tun. Auch das ist Realität.

Maschine oder Mensch: Wer gewinnt den Wettkampf um die Intelligenz?

So hat ein digitales Kunstwerk unlängst für Aufregung gesorgt: Das von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugte Bild „Théâtre D’opéra Spatial“ hat auf der Colorado State Fair den ersten Platz in der digitalen Kategorie gewonnen und damit eine hitzige Diskussion unter Kunstexperten ausgelöst. Während einige das Werk als revolutionären Schritt in der Kunstwelt feiern, werfen ihm andere Betrug und Plagiat vor. Warum KI-basierte Kunst die Kunstszene spaltet und ob es die Debatte über Originalität und Plagiat zurecht anheizt? Werfen Sie einen zweiten Blick auf das Titelbild und urteilen Sie selbst! Dabei ist die Verwendung von KI in der Kunst keine Neuheit: Bereits seit Jahren experimentieren Künstler mit Tools wie DALL-E 2, Midjourney oder Stable Diffusion, um Artefakte zu schaffen, die sich kaum von menschlichen Kreationen unterscheiden lassen. Auch Amateure generieren auf diese Weise mit etwas sprachlichem Geschick komplexe, abstrakte oder fotorealistische Werke, indem sie einfach ein paar Wörter in ein Textfeld eingeben. Lesen Sie weiter: https://wat-gibbet.de/homo-digitalis/

Der deliziöse Diss der Désirée Nick

Der deliziöse Diss der Désirée Nick

Désirée Nick

Big Sister is watching you – Désirée Nick, die deliziös dissende Diseuse

Ihre satirischen Statements zeichnen das Sittengemälde einer narzisstisch infizierten Kultur, ihre spitze Zunge delektiert sich an den Befindlichkeiten der Beautiful People: Im Jahrmarkt der Eitelkeiten agiert Désirée Nick wie eine Nemesis der Allzufrohen, eine manische Zeitgeist-Seismographin, deren feine Sensoren den Riss unter glänzender Fassade aufspüren, lange noch bevor ihr Lack aufsplittern kann.

Wenn die öffentliche Meinung, gebildet durch journalistische Deutungen, Désirée Nick als frivol-blasierte Zotenreißerin verkennt, so nahmen Theaterregisseure wie Rosa von Praunheim ihr künstlerisches Schaffen ernster: Nicht nur ein platinblonder Underground-Kultstar sei sie, sondern auch eine Marlene unseres Millenniums, dabei eine Perfektionistin, eine Besessene, ein Workaholic, ein absolutes Arbeitstier, eine subversive Kraft, welche die vorherrschende Ordnung geißelt oder schlicht laut Wolfgang Joop „die aufregendste Entertainerin Deutschlands“. Und die widersprüchlichste: Eben noch brilliert sie mit schauspielerischer Grandezza als Joan Crawford am Hamburger Ernst Deutsch Theater, wenig später moderiert sie maliziös lächelnd Big Brother und avanciert einmal mehr zur Königin des Trash. Wer ist Désirée Nick wirklich? Eine Spurensuche.

Oscar Wilde hat die Sentenz geprägt, Frauen seien Sphinxen ohne Geheimnis. Betrachtet man Ihren Werdegang, gilt es jedoch so manches Paradoxon zu entschlüsseln: Klassisches Ballett an der Berliner Oper, Theologie-Studium, Bestseller schreiben, Theaterspielen und Reality-TV – wie passt das zusammen?

Die Krux ist, es bleibt fast immer nur das Fernseh-Image hängen. Wenn mich an die elf Millionen Zuschauer zwei Wochen lang – wie jetzt in der neuen Big-Brother-Staffel – moderieren sehen, dann ist das ein Bild, das sich ins kollektive Bewusstsein einbrennt. Dass ich jedoch einen Großteil meines Lebens im Theater verbringe, wohlgemerkt, auf der Bühne deutscher Staatstheater, kommt bei den Leuten nicht an. Im Vergleich zu dem Sog, den das Massenmedium Fernsehen entfaltet, stellt ein ausverkauftes Theater immer noch die Minorität dar.

Ihr Theater-Debüt gaben Sie u. a. in der Rolle der Schauspielerin in Arthur Schnitzer´s Reigen. Schnitzler galt als „Vivisekteur“, ein Sezierender am lebenden Objekt, der die moralische Degeneration der bürgerlichen Gesellschaft entlarvt. Kommt Ihnen diese Intention bekannt vor, anders gefragt: Sind Sie im Innersten „katholischer“ als man Ihnen zutrauen würde, wenn Sie die Bigotterie der Reichen und Schönen humoristisch brandmarken?

Man kann Theater mit Fernsehen überhaupt nicht vergleichen. Hier wird eine überhöhte Wirklichkeit abgebildet, deren Dramaturgie sich vom Momentum der Mattscheibe maßgeblich unterscheidet. Moralische Definitionen wie Liebe, Treue, Ehrlichkeit sollte ferner jeder für sich selbst abklären. Solange man weiß, wo das persönliche Feigenblatt sitzt, behält man erfahrungsgemäß auch seinen Anstand, der ja Teil der menschlichen Substanz ist.

Der deliziöse Diss der Désirée Nick

Puppenmenschen scheinen bei Big Brother zu agieren, deren adoleszentes Motivationsgefüge noch von keiner tieferen Erkenntnis erschüttert wurde. Als Promi-Typen leicht einzuordnen, entsprechen sie exakt den jeweiligen Gesellschaftsklischees. Dann jedoch überschreiten sie brisant die Grenzen ihrer Rollen und beginnen zu leiden. Wie viel Sadismus bedient das Reality-TV?

Solche Formate reflektieren natürlich neben Pyrrhussiegen immer auch eine vielschichtige Revue des Scheiterns. Darin besteht ihr Reiz. Das erinnert ein wenig an Nietzsches Tragödientheorie: Auf dem Zenit der Lebensgier holen den Helden Untergang und Tod ein. In dem Fall ist die Strafe natürlich abgemildert, es drohen eher öffentlicher Liebesentzug und Gesichtsverlust. Doch ich will das nicht romantisieren: Hinter der Teilnahme an Big Brother steht seitens der Kandidaten immer auch eine kaufmännische Entscheidung sowie legitimes Kalkül.

Versteckt sich in Ihrer ironischen Distanzierung von den Repräsentations-, Selbstbestätigungs- und Schmuckbedürfnissen unserer narzisstischen Kultur auch eine Aufklärungs-Absicht?

Als Kabarettistin kratze ich natürlich gern ein bisschen am Lack. Den missionarischen Eifer überlasse ich jedoch selbst berufenen Ordnungshütern. Das sind oft dieselben, die in dichotomen Schwarz-Weiß-Denken erstarren und zu extremen politischen Standpunkten tendieren. Ein gesundes Ambivalenz-Verständnis ist meines Erachtens die Basis jeder Demokratie.

Das süße Leben zeigt den Celebrities manchmal auch seine unbarmherzige Kehrseite. Satire muss wehtun, zitieren Sie einmal Tucholsky, sonst sei sie sinnlos. Tat Ihnen dennoch auch schon mal ein Verriss leid?

Öfter als sie denken: Ich bin ja keine Megäre, sondern eine im Kern durchaus dünnhäutige Künstlerin. Als Komödiantin bewege mich jedoch in ehrwürdiger Tradition. Das schließt in der Burleske nun mal auch Publikumsbeschimpfung mit ein. Meine Frotzeleien zielen tendenziell mehr auf die Manierismen einer Person, die sie ja ebenso gut auch ablegen könnte. Nicht auf das, was sie als Mensch ausmacht. Ihre Würde bleibt deshalb unangetastet.

In der deutschsprachigen Erstaufführung von „Bette & Joan“ unter der Regie von Folke Braband arbeiten Sie eine Überhöhung der Hollywoodlegende Joan Crawford heraus, ihre menschliche Essenz. Wie viel Diva-Potenzial müsste eine Schauspielerin hypothetisch aufbringen, um „Desirée Nick“ auf der Bühne glaubhaft verkörpern zu können. Anders gefragt: Wie viel „Joan Crawford“ steckt in Ihnen?

Es interessiert Sie, ob ich nicht am Ende doch eine fiese Furie bin. Die Antwort wird Sie enttäuschen: Ich wurde konservativ erzogen und seit jeher auf preußische Disziplin gedrillt, fern von Ballköniginnen-Allüren oder anderen Kapriolen. Ich glaube an Werte wie Teamgeist, Ehrlichkeit und Fairplay. Anders ließen sich so ambitionierte Theaterprojekte – wie das mit Manon Straché – gar nicht umsetzen.

Sie setzten zeitlebens auf radikalen Szenenwechsel. So tanzten Sie als Ballerina in „Schwanensee“, tauschten ihre Spitzenschuhe gegen High Heels und die Glitzer-Ödnis des Pariser Lido, um dann Theologie zu studieren, absolvierten jahrelang kabarettistische Knochenjobs vor Kaninchenzüchtern, Auftritte in Travestieclubs oder Tingel-Touren durch die Provinz. 

Der deliziöse Diss der Désirée Nick

Dann jedoch katapultierten Sie sich mit einer geballten Dosis Intellekt, Kreativität und Zähigkeit in den Olymp deutscher Fernsehunterhaltung. Wie gehen Sie mit der heutigen Fallhöhe um: Verspüren Sie manchmal noch Versagensängste?

Wenn Sie wie ich schon mit vierzehn eisern klassischen Tanz trainiert hätten, bis die Füße bluten, nur damit Ihnen dann mit neunzehn wegen eines unerwünschten Wachstumsschubes gekündigt wird, dann entwickeln Sie früh Frustrationstoleranz. Ich habe es gelernt, private und berufliche Tiefschläge mit Humor und Standfestigkeit zu parieren. Und mit einer gesunden Portion Optimismus: Als ich zeitweise für 70 Mark die Nacht in halbleeren Lokalen auftrat und sich mein Publikum von drei auf zwölf vervierfachte, sagte ich mir: „Von nun an gibt es kein Zurück mehr!“

Gut informierte Kreise berichten, dass ein prominenter Big-Brother-Neuzugang eine obszön hohe Gage einstreicht. Von Beruf vornehmlich Sohn verdankt er seine Popularität jedoch bisher eher skandalträchtigen Gerichtsprozessen als TV-Engagements. Eigentlich war zu erwarten, dass er als erster durchdreht …

Die Eindrücke verschieben sich ständig, das verleiht solchen radikalen Experimenten ihren Reiz. Menschen sind eben nicht vorhersehbar und entwickeln in Grenzsituationen oft ungeahnte Ressourcen. So kannte man ihn bisher nur als affektgeladenen Haudrauf. Bei Promi Big Brother wird er gewissermaßen resozialisiert, entwickelt Sozialkompetenz und ist nun auf dem besten Weg zum Sympathieträger. Damit bietet er natürlich auch weniger Angriffsfläche. Wer jedoch ein gefundenes Fressen hergibt, den filetiere ich bis auf die Knochen – mit aller Dämonie, die mein Skript mir abverlangt.

CREDITS:
Interview, Blogartikel & Gestaltung einer Fotostrecke für EDEKA Zurheide, mit freundlicher Genehmigung von Jürgen Evers, Diana Enders und kick-management.de. Wir danken der Big-Brother/SAT1-Redaktion sowie dem Ernst Deutsch Theater in Hamburg und der Nordtour Theater Medien GmbH für die Bereitstellung und Genehmigung der Fotos sowie dem Team der kick.management GmbH für die freundliche Unterstützung!

Text: Claudia Roosen | www.kick-management.de

 

Der deliziöse Diss der Désirée Nick

Gestaltung: Peter Schmidt, Belliero & Zandée. Foto: Timmo Schreiber