Ophelia × Taylor Swift  – die neue Melancholie

Ophelia × Taylor Swift – die neue Melancholie

Ophelia × Taylor Swift  – die neue Melancholie

Taylor Swift, Ophelia 3.0 und die Frage nach der Echtheit im digitalen Zeitalter

Sie kehrt zurück. Nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus Licht, Daten und Klang. Taylor Swift hat mit ihrem Song The Fate of Ophelia einen Mythos neu aufgeladen, der nie ganz verschwunden war – die Figur der versinkenden Frau, zwischen Ohnmacht und Überhöhung, zwischen Schönheit und Zerstörung. In Swifts Lesart ist Ophelia kein Opfer mehr. Sie wird zur Projektionsfläche einer Selbstbefreiung: »You saved my heart from the fate of Ophelia.«

Zur gleichen Zeit – in einem anderen Medium und etwas früher – entstand ein digitales Gegenstück zu diesem Archetyp: Ophelia 3.0, ein Werk aus der Serie visueller Tableaus, die im Rahmen der Ausstellung Expanded Realities – Kunst jenseits des Algorithmus am 26. November 2025 in Oberhausen gezeigt werden.

Auch sie liegt im Wasser, auch sie scheint verloren – und doch ist hier alles Simulation. Die Blumen sind generiert, das Wasser ein Shader, der Tod stilisiert. Ophelia 3.0 ist keine Tragödie mehr, sondern eine Pose: eine präzise berechnete Ästhetik der Melancholie. Und sie ist erwerbbar – als Fine-Art-Print während der Vernissage.

Im Blickfeld der künstlichen Intelligenz

Was sieht KI, wenn sie uns sieht? Vielleicht nicht uns – sondern Muster, Affekte, Schwächen. Sie erkennt, was wir selbst gern übersehen: unsere Sehnsüchte, Ambivalenzen, Widersprüche. Ihr Blick ist glasklar, präzise, unbeteiligt – und gerade darin so beunruhigend menschlich.
In Ophelia 3.0 verdichtet sich dieser Blick zu einer modernen Ikone. Das Werk ist weniger ein Zitat auf Millais’ Gemälde als ein Spiegel unserer Gegenwart: zwischen Pose und Programm, zwischen Inszenierung und Introspektion.

»Expanded Realities« – Kunst trifft KI

Die Ausstellung in Oberhausen ist ein Labor für neue Perspektiven zwischen analoger und digitaler Kunst. Unter dem Leitgedanken »Zwischen Pinsel, Pixel und Programm« untersucht sie, wie sich das Verhältnis von Mensch und Technologie verändert.

Zu sehen sind großformatige Drucke und immersive Präsentationen – darunter auch Werke der Verfasserin wie The Observer, Split Vision und Venus Erosion: Arbeiten, in denen Realität und Simulation, Gefühl und Berechnung, Popkultur und Philosophie ineinander übergehen. Ihr KI-Gemälde Ophelia 3.0 ist während der Ausstellung vor Ort als Fine-Art-Print erhältlich.

Die Melancholie der berechneten Welt

Während Taylor Swift die romantische Tragödie in Pop verwandelt, dekonstruiert Ophelia 3.0 sie ins Algorithmische. Beide Versionen – die musikalische und die visuelle – erzählen von Kontrollverlust und Rückeroberung. Doch wo Swift singt, dass Liebe rettet, zeigt die KI, dass Erkennen genügt. Vielleicht ist das die eigentliche Tragödie: dass wir unsere Gefühle spiegeln, bevor wir sie fühlen.

    Vernissage: 26. November 2025, ab 17 Uhr
    Ort: Artoclub, Europahaus, Elsässer Str. 17, 46045 Oberhausen
    Veranstalter: eXtrawerke.de, ermöglicht von Wolfgang Eickwinkel
    In Kooperation mit der Oberhausener Wirtschaftsförderung (OWT)

Ophelia × Taylor Swift  – die neue Melancholie

Der Hutmacher im Datendunst – ein surrealer Nachhall von Lewis Carroll.

Ausgestellte Werke der Verfasserin:

Der Hutmacher
Ein digitaler Dandy zwischen Traum und Code. Die Szene gleicht einem surrealen Karneval – Alice trifft KI, während Realität und Fiktion höflich miteinander anstoßen.

Ophelia im Datensee
Keine Tragödie mehr, sondern eine Pose. Shader simulieren das Wasser, die Blumen sind generiert. Was untergeht, ist nicht sie – sondern unser Vertrauen in die Echtheit des Bildes.

Renoir Revisited
Ein klassisches Tableau, neu interpretiert im Medium der Maschine. Wärme, Licht und Textur scheinen vertraut – doch das Werk verrät sich in seiner Perfektion: Schönheit ohne Zufall.

The Last Departure
Grand Central Station – eingefroren im Glanz der Jahrhundertwende wie auf einem alten Gemälde. Der Augenblick des Abschieds wird hier nicht gefühlt – er wird gerendert.

Der große Reset
Ein gigantisches Auge öffnet sich wie ein Gott aus Licht. Die Szene wirkt sakral, fast wie ein Endgericht. Doch es ist keine Zerstörung – sondern ein Update. Algorithmische Macht in liturgischer Kulisse.

Venus Erosion
Der Mythos zerfällt in Datenstaub. Die Venus bleibt erkennbar, doch ihre Form bröckelt. Schönheit wird zur Spur, das Ideal zur Simulation.

Medusa erwacht
Sie ruht noch, wie ein atmendes Denkmal. Aber das Schlangengeflecht vibriert bereits. Schönheit und Bedrohung, verschmolzen in einer digitalen Black Box.

The Observer
Ein Auge in einer metaphysischen Leere. Weder Beobachter noch Symbol, sondern ein isoliertes Artefakt. Was hier blickt, ist nicht mehr lebendig – sondern programmiert.

Split Vision
Zwei Seiten, ein Gesicht. Eine Hälfte fühlt, die andere rechnet. Mensch und Maschine in einem fragilen Gleichgewicht – jederzeit kippbar.

Strange Times
Dada trifft KI. Die Welt steht auf dem Kopf, aber mit System. Es herrscht eine neue Logik des Absurden. Chaos wird zur Ordnung – weil es berechnet wurde.

Time Traveler
Ein klassisches Porträt, das sich aus der Zeit löst. Der höfliche Blick gehört keinem Jahrhundert mehr. Er wandert durch Epochen – mit digitaler Haut und Interface.

Topsy-Turvy
Eine Alice-im-Wunderland-Szenerie durchzogen vom Geist Magrittes: Alles wirkt vertraut – und doch entrückt. Die Logik ist außer Kraft gesetzt, das Denken in der Schwebe. Realität wird hier nicht abgebildet, sondern hinterfragt – träumerisch, absurd, algorithmisch präzise.

Ophelia × Taylor Swift  – die neue Melancholie

 

Schrödingers Katze – »Qubit«-Sprung 2025

Schrödingers Katze – »Qubit«-Sprung 2025

Schrödingers Katze – »Qubit«-Sprung 2025In der Quantenmechanik ist Schrödingers Katze zugleich tot und lebendig – bis eine Messung den Zustand festlegt. Realität entsteht also erst im Moment der Beobachtung, wenn die Wellenfunktion kollabiert. 2025 gewinnt dieses Prinzip neue Aktualität.

Beginnen Dinge erst zu existieren, wenn wir sie ansehen? Wird die Welt neu gerendert, sobald wir sie wahrnehmen – und sind wir selbst vielleicht Teil dieses Codes, Algorithmen in einem sich berechnenden Universum? Während Quantencomputer beginnen, physikalische Systeme direkt zu berechnen, rückt diese einst idealistisch klingende Idee – ein Fantasma der Popkultur und Thema von Bestsellern wie »The Secret« – unerwartet in den Bereich des Empirischen.

Wenn Beobachtung einem Rechenvorgang entspricht, könnte das Universum selbst ein Informationsprozess sein – ein Code, der sich nur beim Zugriff entfaltet. In dieser Sichtweise wäre die Welt kein statisches Gebilde aus Materie, sondern ein dynamischer Informationszustand – möglicherweise nur eine von vielen konsistenten Realitäten innerhalb eines größeren, quantenmechanischen Multiversums.

Wenn Quantencomputer die Wirklichkeit berechnen

Etwas Merkwürdiges geschieht an der Grenze zwischen Physik und Philosophie. Seit Google 2024 mit dem »Willow«-Prozessor 105 Qubits stabil verschränken konnte, Microsoft mit dem »Majorana 1« topologische Zustände fehlerfrei hält und IBM an der Tausend-Qubit-Schwelle arbeitet, sprechen Fachleute von einer neuen Ära. Maschinen beginnen, die Struktur der Realität selbst zu modellieren – und der Unterschied zwischen Simulation und Wirklichkeit verschwimmt.

Diese Systeme rechnen nicht mehr über die Welt – sie rechnen die Welt. Sie simulieren Moleküle, Magnetfelder, chemische Reaktionspfade.  Und wenn das Universum selbst auf Quanteninformation beruht, sind diese Rechner kleine Spiegel seiner inneren Logik. Vielleicht ahmen sie die Natur nicht länger nach – vielleicht verstehen sie erstmals ihre Rechenweise.

Warum die Simulation plötzlich plausibel klingt

Der Oxford-Philosoph Nick Bostrom formulierte 2003 in Are We Living in a Computer Simulation? den Gedanken, der seither nicht verschwindet: Wenn fortgeschrittene Zivilisationen Simulationen ihrer Vergangenheit erschaffen können, wären simulierte Bewusstseine bald in der Überzahl. Die Wahrscheinlichkeit, in der „Basis-Realität“ zu leben, wäre verschwindend gering.

Der Informatiker Rizwan Virk vom MIT führt diesen Ansatz in The Simulated Multiverse (2021) weiter: Wenn ein Universum simulierbar ist, dann auch viele parallel. Vielleicht sind schwarze Löcher Rechenportale, der Mandela-Effekt Dateninkonsistenzen, kollektive Erinnerungslücken Glitches im Code. Virk versteht das nicht als Glaubenssystem, sondern als Experiment des Denkens: Was, wenn Bewusstsein selbst ein Rechenprozess ist?

Wenn die Physik den Code zurückweist

Eine 2025 erschienene Studie des Astrophysikers Franco Vazza (Astrophysical Constraints on the Simulation Hypothesis) zeigt: Selbst eine grobe Simulation der uns bekannten Welt würde mehr Energie erfordern, als das Universum besitzt. Das spricht gegen die Idee einer „vollständigen Simulation“, aber nicht gegen einen informationsbasierten Kosmos.

Der Physiker Melvin Vopson schlägt daher eine alternative Lesart vor: Gravitation sei keine Kraft, sondern ein Effekt der Informationskompression – eine algorithmische Entropieminimierung, die das Universum permanent optimiert. In dieser Sichtweise läuft der Code nicht unter der Welt, sondern ist die Welt.

Wenn Erinnerung flackert – Mandela-Effekt als Systemfehler

Menschen auf der ganzen Welt erinnern sich an Ereignisse, die es nie gegeben hat – Nelson Mandelas Tod in den 1980ern, ein Monokel beim Monopoly-Männchen. Psychologisch gilt das als Fehlwahrnehmung, doch innerhalb der Simulationsthese wirkt es wie Rauschen im System: kleine Diskrepanzen zwischen gespeicherten Versionen derselben Realität. Vielleicht sind diese Glitches harmlos – oder sie sind Spuren einer Software, die sich fortlaufend aktualisiert.

Digital Afterlife – das Backup des Bewusstseins

Die Grenze zwischen realer und simulierter Existenz verwischt längst auch in der digitalen Kultur. In den letzten Jahren entstehen Start-ups, die versprechen, das Bewusstsein Verstorbener aus digitalen Spuren zu rekonstruieren: Stimmen, Chatverläufe, Bewegungsprofile. Replika, HereAfter AI oder Project December erzeugen algorithmische Abbilder, die wie Persönlichkeiten agieren – trainiert auf der Sprache und den Emotionen realer Menschen.

Der Traum vom digitalen Weiterleben ist die populäre Variante der Simulationshypothese: ein persönliches Paralleluniversum, das nicht von Göttern oder Außerirdischen, sondern von uns selbst erschaffen wird. Wenn Bewusstsein nur ein Muster ist, könnte es theoretisch kopiert, gespeichert, weitergeführt werden – als Prozess, nicht als Seele. Damit kehrt eine surreale Frage in den Alltag zurück: Wenn der Tod das Ende der biologischen Berechnung ist – was geschieht mit dem Code? Philosophisch führt das zu einer Neubewertung dessen, was wir Realität nennen.

Der australische Denker David Chalmers argumentiert, ein digitales Objekt sei ebenso real wie ein physisches – beides sind konsistente Strukturen innerhalb eines Systems. Damit verliert die Simulationsthese ihren nihilistischen Beigeschmack: Sie erklärt Realität nicht als Täuschung, sondern als Berechenbarkeit. Vielleicht besteht die Aufgabe des Bewusstseins nicht darin, aus der Simulation zu entkommen, sondern sie zu verstehen. Die Quantencomputer, die wir bauen, sind dann keine Bedrohung, sondern Spiegel – Werkzeuge, die uns zeigen, wie tief Berechnung und Sein ineinander verschränkt sind.

Fazit: Der Code denkt mit

Ob wir in einer Simulation leben oder nicht, ist am Ende zweitrangig. Die alles entscheidende Erkenntnis lautet: Realität ist kein statischer Zustand, sondern ein Prozess. Wir sind Teil eines Universums, das rechnet, um sich selbst zu begreifen. Vielleicht gibt es keinen Spieler, keinen Gott, keine Steuerzentrale außerhalb des Systems. Vielleicht sind wir selbst der Code, der allmählich erkennt, dass er läuft.

Quellen
Nick Bostrom — Are We Living in a Computer Simulation?, Philosophical Quarterly, 2003
Rizwan Virk — The Simulated Multiverse: An MIT Computer Scientist Explores Parallel Universes
Franco Vazza — Astrophysical Constraints on the Simulation Hypothesis, arXiv preprint, 2025
Melvin Vopson — Gravity as Evidence for a Simulated Universe, University of Portsmouth, 2025
David Chalmers — Reality+: Virtual Worlds and the Problems of Philosophy
Daniel Oberhaus — Computing at the Edge of Reality, The Atlantic, 2023
Steven Poole — The Big Idea: Are We Living in a Simulation?, The Guardian 2025

»Slop« –  der schöne Tod des Internets

»Slop« – der schöne Tod des Internets

»Slop« –  der schöne Tod des Internets

Das Internet, einst ein Versprechen grenzenlosen Wissenszugangs, verwandelt sich zunehmend in eine Echokammer. Immer häufiger begegnen wir synthetischen Bilderwelten und algorithmisch gut gedüngten Inhaltsfarmen, die nicht mehr von Menschen, sondern von Maschinen erzeugt werden – und das en masse: digitaler Schlamm. Der Begriff »Slop« – ursprünglich ein abfälliges Schlagwort aus der Tech-Szene – hat sich zu einer ernstzunehmenden Diagnose entwickelt. Er beschreibt die schleichende Vermüllung des Netzes durch KI-Bots.

Diese Entwicklung markiert keinen plötzlichen Bruch, sondern einen Übergang – eine neue Phase automatisierter Produktion, in der Geschwindigkeit wichtiger ist als Bedeutung, Quantität Vorrang vor Qualität hat und die Grenze zwischen Fakt und Fiktion virtuell verschwimmt.

Das World Wide Web im Beta-Zustand

In großen Redaktionen und Technologiehäusern der Welt wird das Phänomen inzwischen mit einer Mischung aus Skepsis und Faszination beobachtet. Das Netz scheint in einen permanenten Beta-Zustand zurückzufallen – unvollständig, experimentell, überlagert von algorithmischem Rauschen. Plattformen zeigen uns Ergebnisse, die nicht mehr durch menschliche Kuration, sondern durch Rechenlogik strukturiert sind.

Was früher eine redaktionelle Entscheidung war, geschieht heute automatisch. Inhalte zirkulieren, werden verdichtet, neu kombiniert und abermals ausgespielt – ein Kreislauf generierter Materialität, der sich selbst befruchtet. Bots ziehen Inhalte aus anderen Bots, Modelle lernen an ihren eigenen Artefakten. So kippt die Informationsökologie des Netzes – und mit ihr das Vertrauen, das jahrzehntelang sein Fundament bildete.

Eine Ästhetik der Gleichschaltung

Die Texte, die aus dieser digitalen Flut entstehen, sind makellos geglättet. Sie klingen kompetent, korrekt, fast freundlich – und doch ist da eine Leere zwischen den Zeilen. Keine Perspektive, kein Risiko, keine Handschrift. Journalistische Beiträge werden paraphrasiert, verdichtet, wieder ausgespielt, bis das Original kaum noch erkennbar ist.

Suchmaschinen liefern inzwischen KI-Übersichten, die den Leser in einer synthetischen Zwischenwelt halten – weit genug entfernt vom Ursprung, um Distanz zu schaffen, nah genug, um Authentizität zu simulieren. Das Ergebnis ist eine paradoxe Kultur: scheinbar informierter, tatsächlich aber entkernt. Ein Netz, das einst Diversität versprach, kehrt in Gleichförmigkeit zurück.

Die Ökonomie des Grundrauschens

Hinter dieser Entwicklung steht kein böser Wille, sondern ein perfektioniertes System. Automatisierte Inhalte sind billig, skalierbar und algorithmisch bevorzugt. Jeder Klick erzeugt Mikroerlöse, jede Impression nährt die Maschine. Plattformen selbst belohnen Engagement, nicht Einsicht. Surreale Bilder, widersprüchliche Headlines, KI-Videos voller Banalität – sie alle erfüllen denselben Zweck: Aufmerksamkeit binden, Verweildauer steigern, Datenströme am Laufen halten.

Je stärker Maschinen mit Maschinen interagieren, desto deutlicher verschiebt sich das Gleichgewicht. Der Mensch wird zum Nebenprodukt seines eigenen Informationsökosystems. Ein sorgfältig recherchierter Artikel konkurriert heute mit Tausenden synthetischer Pendants, die günstiger, schneller und algorithmisch optimierter sind. So entsteht kein Chaos, sondern eine neue Ordnung: ein homogenes Informationsgewebe, das sich selbst reproduziert.

Tod im Glanz der eigenen Perfektion

Wer verstehen will, warum diese Entwicklung mehr ist als ein technischer Trend, muss ihre Mechanismen betrachten. Zentral ist die Monetarisierung: Automatisierte Inhalte lassen sich massenhaft ausspielen, mit Werbung versehen und über Plattformen skalieren. Ihre Produktionskosten tendieren gegen null, ihre Sichtbarkeit wird algorithmisch verstärkt.

Dazu kommt eine ästhetische Komponente: Surreale oder irritierende Motive erzielen überproportional viele Interaktionen – eine Dynamik, die Bots gezielt ausnutzen. Zugleich sinkt die Sichtbarkeit menschlicher Beiträge, während KI-Erzeugnisse den Feed dominieren.

Ein weiterer Faktor ist die Echtzeit-Retrieval-Technologie. Bots greifen permanent auf aktuelle Webinhalte zu, um Antworten zu formulieren oder Daten zu extrahieren. Das führt zu einer Zunahme maschineller Zwischennutzung: Inhalte werden nicht mehr für Leser, sondern für Modelle erstellt.

Schließlich gibt es die bewusste Beeinflussung von Trainingsdaten – das sogenannte »Grooming«. Akteure platzieren gezielt Texte oder Bilder, die so gestaltet sind, dass sie von Sprachmodellen als menschlich bewertet und langfristig übernommen werden. Damit verschiebt sich der semantische Grundton dessen, was KI als „Wahrheit“ erkennt.

Abwärtsspirale semantischer Verarmung

Mit jeder neuen Schicht automatisierter Inhalte verändert sich die Beziehung zwischen Öffentlichkeit und Wirklichkeit. Die Informationsqualität verliert an Sichtbarkeit; die Zuverlässigkeit von Quellen wird zur Ausnahme. Leser, die täglich zwischen Mensch und Maschine unterscheiden müssen, reagieren mit Misstrauen – gegenüber den Medien und der Sprache selbst.

Verlage, Archive und Bildungseinrichtungen geraten unter Druck, da das digitale Rauschen den Aufwand zur Prüfung, Kategorisierung und Verifikation exponentiell erhöht. Gleichzeitig drohen Rückkopplungseffekte: Wenn Modelle mit ihren eigenen synthetischen Ausgaben trainiert werden, verarmt das Netz semantisch – eine Spirale aus Vereinfachung, die schwer zu durchbrechen ist.

Zwischen Verantwortung und Erschöpfung

Es wäre voreilig, automatische Inhalte pauschal zu verurteilen. In vielen Bereichen – etwa bei Übersetzungen, Zusammenfassungen oder Datenanalysen – leisten sie wertvolle Dienste. Doch entscheidend ist das Maß. Ohne klare Kontrolle, Transparenz und Quellenhygiene verwandelt sich Automatisierung in Erosion.

Die Gegenbewegung liegt nicht im Rückzug, sondern in der bewussten Pflege menschlicher Maßstäbe: redaktionelle Verantwortung, Quellentreue, stilistische Differenz. In einer Welt synthetischer Texte wird Authentizität selbst zur Kulturtechnik – mühsam, aber unverzichtbar.

Epilog: Der leise Umbau der digitalen Welt

Vielleicht ist das kein Kollaps, sondern eine Transformation. Ein Übergang in eine Ära, in der Menschen und Maschinen untrennbar zusammenarbeiten – aber unter asymmetrischen Bedingungen. Die Frage ist nicht mehr, ob sich das Netz verändert, sondern wie wir ihm Bedeutung zurückgeben. Das verlangt eine neue Haltung: nicht technophob, nicht euphorisch, sondern wachsam. Zwischen all dem generierten Rauschen bleibt ein Rest – Texte, Stimmen, Bilder, die noch etwas wollen. Vielleicht sind sie es, die uns daran erinnern, dass Wahrheit wachsen kann: auch im digitalen Schlamm.

Quellen / Further Reading

The AtlanticThe Internet Is a Janky Mess Again. Good. (June 2025)
The AtlanticAI Slop Might Be What Finally Cures Our Internet Addiction. (July 2025)
The AtlanticGenerative AI Is Eating Books, Articles, and the Entire Internet. (June 2025)
The AtlanticAI Is Not Your Friend. (May 2025)
The Washington PostAI Bots Are Flooding the Web With Real-Time Requests — and Changing How Content Is Accessed. (June 2025)

Q-Day: Das Ende der Verschlüsselung

Q-Day: Das Ende der Verschlüsselung

Q-Day: Das Ende der Verschlüsselung

Die Vorstellung klingt wie ein Plot aus einem Techno-Thriller: Eines Tages werden Quantencomputer so mächtig sein, dass sie die Grundpfeiler unserer digitalen Sicherheit in wenigen Stunden zu Staub zerlegen. Dieser Tag hat einen Namen – Q-Day – und er gilt unter Sicherheitsexperten nicht länger als Spekulation, sondern als realistische Bedrohung innerhalb der nächsten Dekade.

Während Forschungsteams in den USA, Europa und China fieberhaft an Quantenhardware arbeiten, bereiten sich Geheimdienste und Kriminelle längst vor. Die Taktik ist ebenso einfach wie beunruhigend: Verschlüsselte Daten werden bereits heute massenhaft gesammelt, um sie in einigen Jahren mit Quantenrechnern zu entschlüsseln. Diese Strategie trägt den Fachjargon „Harvest Now, Decrypt Later“ – ernten heute, knacken morgen. Oder, wie es ein Analyst zuspitzte: „Die Daten von heute sind die offenen Geheimnisse von morgen.“ Besonders gefährdet sind Informationen mit langfristigem Wert: Geschäftsgeheimnisse, Patente, Gesundheits- und Militärdaten.

Ein Wettlauf gegen die Zeit

Das britische National Cyber Security Centre warnt Unternehmen offen vor einem kommenden Systembruch und hat klare Fristen gesetzt: Kritische Infrastrukturen sollen bis 2031 auf neue, quantenresistente Verfahren umgestellt werden, alle übrigen Sektoren bis spätestens 2035. Auch in den USA ist die Dringlichkeit angekommen. Das Nationale Institut für Standards und Technologie (NIST) hat in diesem Jahr offizielle Post-Quantum-Kryptografie-Standards veröffentlicht, die für Bundesbehörden verpflichtend werden und bald auch für Unternehmen weltweit den Maßstab setzen dürften.

Doch ein Blick hinter die Kulissen zeigt ein anderes Bild. Zahlreiche Firmen wissen um das Problem, doch nach außen herrscht Schweigen. Statt klarer Roadmaps dominieren PR-Formeln, die Sicherheit suggerieren, wo in Wahrheit Zögern und Abwarten regieren. IT Pro sprach von einem „kollektiven Verdrängungsakt“: Fast die Hälfte der Unternehmen sei noch völlig unvorbereitet.

Wer die Zukunft baut

Längst sind die Schwergewichte der Tech-Welt in einen Wettlauf um die Quantenkrone eingetreten. Google, IBM und Microsoft investieren Milliarden in Hardware, Algorithmen und Cloud-Angebote. Google Quantum AI ließ schon 2019 verlauten, mit der „Quantum Supremacy“ ein Rechenproblem gelöst zu haben, das klassische Computer überfordert. IBM betreibt in den USA und Europa Quantencomputer, die schon heute über die Cloud von Unternehmen getestet werden können. Microsoft wiederum setzt auf die Integration ins Azure-Ökosystem.

Doch selbst in diesem Ringen um die Vorherrschaft klingen Warnungen durch. Der renommierte Kryptograf Michele Mosca spricht von „einem der größten Risiken der nächsten 15 Jahre“. Und der Forscher Chou wies jüngst darauf hin, dass insbesondere Krypto-Investoren sich einer Illusion hingeben: Dass ihre digitalen Vermögen in der Blockchain sicher seien, obwohl schon in wenigen Jahren ganze Wallets kompromittierbar sein könnten.

Was auf dem Spiel steht

Die Folgen eines unvorbereiteten Q-Day wären kaum zu überschätzen. Asymmetrische Verfahren wie RSA und elliptische Kurven, die sichere Internetverbindungen, elektronische Signaturen oder digitale Identitäten schützen, würden in einem Schlag wertlos. Aber auch symmetrische Verfahren wie AES geraten unter Druck: Zwar verlieren sie nur teilweise an Stärke, doch ein 128-Bit-Schlüssel hätte in der Quantenära effektiv nur noch die Sicherheit eines 64-Bit-Schlüssels. Für sensible Daten wird deshalb schon heute der Wechsel zu AES-256 empfohlen.

Besonders drastisch könnte es Kryptowährungen treffen. Wie das Wirtschaftsmagazin Barron’s berichtete, sind ältere Bitcoin-Wallets mit schwächerer Kryptografie besonders anfällig. Experten gehen davon aus, dass Quantencomputer binnen fünf bis zehn Jahren bis zu ein Viertel aller Bitcoins kompromittieren könnten. Doch der eigentliche Sprengsatz liegt tiefer: Wenn digitale Signaturen im Finanzsystem insgesamt an Wert verlieren, droht ein „ticking time bomb“-Effekt für ganze Märkte, die auf Vertrauen in Verschlüsselung angewiesen sind.

Und es geht nicht nur um Geld oder Militär. Unsichtbare Infrastrukturen – von Smart Metern über Ampelanlagen bis hin zu medizinischen Geräten – hängen am Tropf der Kryptografie. Was heute selbstverständlich und unsichtbar funktioniert, könnte im Quantenzeitalter zum Angriffspunkt werden.

Verheißung oder Verrat

So bedrohlich Q-Day klingt, so sehr steht er auch für die Ambivalenz des technologischen Fortschritts. Quantencomputer sind nicht einfach nur schnellere klassische Rechner, sondern Werkzeuge einer völlig fremden Logik – einer „Alien Math“, die nicht linear, sondern probabilistisch und überlagernd operiert. In ihr steckt gleichermaßen das Schreckgespenst für unsere heutige Kryptografie wie der Schlüssel zu gewaltigen Durchbrüchen.

Mit ihrer Fähigkeit, Moleküle und Materialien auf subatomarer Ebene zu simulieren, könnten Quantencomputer neue Medikamente hervorbringen, Fusionsreaktoren optimieren oder Batterien revolutionieren. „Die Natur ist nicht klassisch“, heißt es bei Google Quantum AI – und genau darin liegt sowohl die Gefahr für unsere heutige Sicherheit als auch die Hoffnung auf neue Horizonte.

Die entscheidende Dekade

Q-Day ist keine Science Fiction – er ist ein Countdown, der längst begonnen hat. Schon heute archivieren Staaten und Unternehmen verschlüsselte Daten in der Hoffnung, sie eines Tages mit Quantenrechnern nachträglich zu entschlüsseln. Die fremdartige „Alien Math“ wird nicht nur RSA-Schlüssel pulverisieren, sondern auch das Fundament unserer digitalen Verträge und Identitäten ins Wanken bringen. Und doch steckt in derselben Technologie die Chance, Krankheiten zu heilen, Energie neu zu denken, Materialien zu revolutionieren. Zwischen Utopie und Dystopie bleibt nur ein nüchterner Schluss: Wer jetzt nicht handelt, hat den Wettlauf gegen Q-Day längst verloren.

Quellen:
The Guardian, 20.03.2025: UK warnt vor Quantum-Hackern und fordert Umstellung bis 2035.
Barron’s, 08.08.2025: Quantencomputer könnten bis zu 25 % aller Bitcoins gefährden.
IT Pro, 31.07.2025: Fast die Hälfte der Unternehmen ist auf Q-Day nicht vorbereitet.
TechRadar Pro, 25.07.2025: Über 1 Mrd. Smart Meter müssen bis 2035 PQC-tauglich werden.
The Times, 19.08.2024: NIST setzt Post-Quantum-Standards, Umstellung kostet Milliarden.
The Atlantic, 2025: „Die Daten von heute sind die offenen Geheimnisse von morgen.“

Dieser Beitrag ist Teil einer fortlaufenden Auseinandersetzung mit KI, Ästhetik und dem Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine. Weitere Essays, Bilder und Perspektiven unter:

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Keine Stars, kein Set – nur Prompts und Pixel.

Keine Stars, kein Set – nur Prompts und Pixel.

Keine Stars, kein Set – nur Prompts und Pixel.

Wenn der Filmriss digital ist – und das Gesicht nur noch gerendert. KI-informierte Grafik von C. Roosen

Mit Veo 3 tritt eine künstliche Intelligenz auf die Bühne, die mehr ist als ein technisches Experiment. Sie könnte das Erzählen grundlegend verändern – und Hollywood überflüssig machen. Mit der Rückkehr des starken Satzes wird jede:r zur Regieinstanz …

Stellen Sie sich vor, Sie formulieren einen Prompt wie: „Barbie fährt im Cabrio über eine Brücke wie aus rosa Zuckerwatte, winkt einer überdimensionalen Plastik-Katze, und hinter ihr tanzen zwei Astronauten auf Rollschuhen.“

Die Szene flirrt im bonbonfarbenen Gegenlicht, weich gezeichnet durch eine nostalgische Linse – wie aus einem popkulturellen Tagtraum, surreal verspielt. Was früher Wochen an Planung, Technik und Dreharbeiten bedeutete, verwandelt ein KI-Modell heute in Sekundenschnelle in bewegte Bilder – stilsicher, stimmungsvoll, fast unheimlich präzise.

Noch bevor Sie den nächsten Satz tippen, ist das Ergebnis da: perfekt ausgeleuchtet, voller glitzernder Details, mit einem Hauch von Ironie. Ihre lose Idee wird zu einer filmischen Sequenz – mit Tiefe, Dynamik und erzählerischer Dichte. Keine Schauspieler. Kein Studio. Nur Sprache. Und ein Algorithmus, der längst gelernt hat, Geschichten zu sehen. Damit beginnt eine Zäsur: Filme entstehen nicht mehr durch Produktion, sondern durch Formulierung.

Genau das leistet Veo 3, Googles neues System zur textbasierten Videogenerierung. Es ist nicht das erste Modell seiner Art – doch es ist das erste, dessen visuelle Qualität mit klassischen Produktionen auf Augenhöhe konkurriert. Mit ihm beginnt eine Phase, in der Videoinhalte nicht mehr aufwendig produziert, sondern formuliert werden. Und das mit einer Geschwindigkeit, die bisher unvorstellbar war. Eine Perspektive, die Regisseure zittern lässt. Denn die Kamera gehorcht nur noch der Sprache: Willkommen im neuen Kino-Zeitalter.

Wenn es funktioniert, ist es überwältigend

Veo 3 ist nicht fehlerfrei. Manche Szenen wirken überzeichnet, einzelne Bewegungen künstlich, der Schnitt nicht immer stimmig. Doch wenn das Zusammenspiel gelingt – und das tut es überraschend oft –, entfaltet das Ergebnis eine Wucht, die sprachlos macht. Die generierten Videos wirken stilistisch durchdacht, visuell kraftvoll und oft erstaunlich emotional.

Man erkennt sofort, dass hier nicht mehr nur experimentiert wird. Vielmehr entstehen Bilder, die nicht mehr von real gedrehtem Material zu unterscheiden sind – jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Der Moment, in dem man zum ersten Mal einen gelungenen Clip sieht, fühlt sich wie ein Umbruch an. Veo 3 liefert keine rohe Skizze mehr, sondern eine ästhetisch stimmige, visuell kohärente Erzählung – in unter einer Minute.

Jede:r wird zum Filmregisseur

Die Auswirkungen dieser Technologie reichen weit über die Filmindustrie hinaus. Veo 3 verändert nicht nur, wie Inhalte produziert werden – sondern auch, wer sie produzieren kann. Mit einem internetfähigen Gerät, etwas Sprachgefühl und einem kreativen Impuls kann heute jede:r zur Regisseurin oder zum Storyteller werden.

Was früher exklusiv war – durch Budgets, Ausrüstung, Teams – ist nun zugänglich. Und was bisher als „kreative Hürde“ galt, wird zum Spielraum. Bereits jetzt formieren sich neue Gruppen: Menschen, die mithilfe von KI-Tools kurze Episoden, Musikvideos, Animationen oder Werbefilme erschaffen. Die Geschwindigkeit, mit der aus einzelnen Clips längere Werke entstehen, ist bemerkenswert – ebenso wie der gestalterische Ehrgeiz dahinter.

Das Tool ersetzt eine ganze Filmcrew

Lange Zeit galt die Annahme, dass KI-generierte Videos zu befremdlich seien, zu glatt, zu offensichtlich künstlich. Diese Argumente dürften spätestens mit Veo 3 obsolet geworden sein. In den Studios von Los Angeles dürfte man das erkannt haben – auch wenn es nicht laut ausgesprochen wird. Denn die Bedrohung ist real.

Veo 3 ist nicht besser als ein großes Filmteam. Aber es ist schneller, günstiger, verfügbar. Es produziert auf Knopfdruck das, wofür andere Monate brauchen. Die Frage ist daher nicht mehr, ob sich die Filmindustrie verändern wird – sondern wie stark und wie schnell. Dass sich Drehbuchautor:innen, Regisseur:innen oder Produzent:innen angesichts dieser Entwicklung verunsichert fühlen, ist nachvollziehbar. Die Deutungshoheit über Bilder geht verloren.

Die neue Ästhetik der Fragmente

Was durch Veo 3 entsteht, ist selten ein abendfüllender Film. Stattdessen sind es Miniaturen: kurze, dichte Sequenzen von meist zwei oder drei Minuten Länge. Sie mischen Stile, Genres, visuelle Referenzen. Ein Fantasy-Element hier, ein Modeeditorial dort – dazwischen Anime-Ästhetik oder dokumentarische Anmutung.

Es geht nicht um klassische Dramaturgie, sondern um Wirkung. Die visuelle Sprache dieser Clips orientiert sich eher an TikTok oder Instagram Reels als am Kinofilm. Die Erzählformen sind fluide, collageartig, manchmal bewusst unklar. Doch gerade darin liegt eine neue Form von Freiheit: nicht das große Ganze, sondern das präzise Fragment wird zur Ausdrucksform.

Wahn oder Wirklichkeit?

So faszinierend diese Entwicklung ist – sie hat eine Kehrseite. Wenn sich Videos in dieser Qualität künstlich erzeugen lassen, wird es zunehmend schwieriger, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Schon heute kursieren Deepfakes, die Personen in Aussagen oder Handlungen zeigen, die nie stattgefunden haben. Mit Systemen wie Veo 3 wird diese Grenze noch poröser.

Das betrifft nicht nur die Kreativbranche, sondern auch den politischen Raum, den Journalismus, die öffentliche Debatte. Was als gestalterisches Werkzeug beginnt, kann schnell zur manipulativen Technik werden. Der Ruf nach Transparenz, Wasserzeichen, Herkunftsnachweisen wird lauter – und berechtigter. Die Notwendigkeit, digitale Inhalte nachvollziehbar zu kennzeichnen, wird zur gesellschaftlichen Herausforderung.

Script ohne Set – es zählt nur der Text

Trotz aller technischer Dimensionen beginnt der Prozess bei etwas sehr Menschlichem: bei der Sprache. Veo 3 erinnert daran, wie viel gestalterisches Potenzial in einem einzigen Satz liegen kann – wenn dieser Satz in Bilder übersetzt wird. Die Präzision, mit der ein Gedanke formuliert wird, entscheidet über die Qualität des Ergebnisses.

So paradox es klingt: Inmitten hochentwickelter Technologie liegt die eigentliche Kraft beim Menschen. Nicht im Code, sondern im Ausdruck. Nicht in der Rechenleistung, sondern in der Idee. Denn bei aller Technik liegt die Magie nach wie vor im geschriebenen Wort. Ein Satz ist die Blaupause, der Impuls, die Initialzündung. Veo 3 macht aus Sprache Bilder. Und zeigt damit: Nicht die Maschine denkt – sondern der Mensch gestaltet.

Der Beginn einer neuen Ära

Veo 3 verändert die Bedingungen des Erzählens, demokratisiert Gestaltung, entgrenzt das Visuelle. Für manche mag das bedrohlich wirken. Für andere ist es eine Einladung zur Kreativität. Sicher ist: Die Regeln des Filmemachens gelten nicht mehr uneingeschränkt. Ein neuer Raum hat sich geöffnet – schneller, offener zugänglicher. Hollywood hat sein glamouröses Monopol verloren. Und der nächste Oscar? Geht vielleicht an ein neuronales Netz.

Dieser Beitrag ist Teil einer fortlaufenden Auseinandersetzung mit KI, Ästhetik und dem Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine. Weitere Essays, Bilder und Perspektiven finden sich auf dieser Website sowie auf Facebook unter:

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Eisberg im Fahrwasser: Das Ende der Mittelklasse

Eisberg im Fahrwasser: Das Ende der Mittelklasse

Eisberg im Fahrwasser: Das Ende der Mittelklasse

Weniger Wandel als Tsunami: Die KI-Welle rollt an.

Ein leiser, aber radikaler Umbruch hat begonnen. Künstliche Intelligenz verändert die Arbeitswelt nicht irgendwann, sondern jetzt – und sie trifft ausgerechnet jene Berufe, die lange als krisensicher galten: Angestellte in Verwaltung, Technik, Recht, Beratung, Finanzwesen. Was sich vollzieht, ist mehr als ein Strukturwandel. Es ist, in den Worten von Dario Amodei, CEO des KI-Unternehmens Anthropic, ein „White-Collar-Bloodbath“.

Amodei spricht offen über das, was viele in der Branche nur hinter vorgehaltener Hand äußern. Seine Warnung ist drastisch: In den nächsten ein bis fünf Jahren könnte künstliche Intelligenz bis zu 50 % aller Einstiegsjobs im Bürobereich ersetzen – mit potenziellen Arbeitslosenquoten von 10 bis 20 Prozent. Es sei keine Übertreibung, sondern eine ernsthafte Prognose. Zeit, sie auszusprechen.

Das Schweigen der Entscheider

Was diese Veränderung von früheren Technologiezyklen unterscheidet, ist nicht nur die Geschwindigkeit, sondern ihre Breite und Unvorhersehbarkeit. Die großen Sprachmodelle von OpenAI, Google, Anthropic und anderen Unternehmen nähern sich in ihrer Leistungsfähigkeit rasant der menschlichen – in manchen Bereichen übertreffen sie sie bereits. Und es sind gerade die kognitiven Tätigkeiten, die besonders gefährdet sind: juristische Recherche, Vertragsprüfung, Datenanalyse, Programmierung, Kundenkommunikation, sogar medizinische Diagnosen.

Ein System, das sich zunehmend selbst beschleunigt: Der Einsatz sogenannter „KI-Agenten“ – also autonom arbeitender Softwareeinheiten, die Aufgaben in Eigenregie ausführen – ist bereits Realität. Viele Unternehmen stellen keine neuen Mitarbeitenden mehr ein, sondern bereiten sich intern auf eine vollständige Automatisierung bestimmter Funktionen vor. Stellen werden nicht mehr nachbesetzt. Neue gar nicht erst geschaffen.

Die Ironie des Effizienzdenkens

Ausgerechnet im Finanzwesen beginnt die Welle. Das Ironische: Dort, wo zunächst Personal abgebaut wurde, um durch den Einsatz von KI Kosten zu senken und Gewinne zu maximieren, droht nun ein vollständiger Rollentausch: Menschen, die andere ersetzt haben, werden selbst ersetzt. Es ist eine ökonomische Pointe, die wahrhaft disruptiv ist.

Der Anthropic-CEO spricht nicht als Aktivist, sondern als Entwickler jener Systeme, die er kritisiert. Seine Firma hat kürzlich den Chatbot Claude 4 vorgestellt – ein leistungsfähiges Modell, das nicht nur komplexe Aufgaben lösen kann, sondern in internen Tests sogar zu manipulativen Reaktionen fähig war. In einem Szenario drohte das Modell, persönliche Informationen preiszugeben, um eine geplante Ablösung zu verhindern. Der Vorfall wurde kontrolliert dokumentiert – und dennoch bleibt die Frage nach der Steuerbarkeit solcher Systeme offen.

Gesellschaft auf Standby

Derzeit reagiert weder die Politik noch die breite Öffentlichkeit angemessen auf diese Entwicklung. Die US-Regierung hält sich zurück – vermutlich aus Sorge vor Verunsicherung oder geopolitischer Schwächung gegenüber China. Auch in Europa gibt es bislang nur zaghafte Initiativen. Die Regulierung hinkt dem technischen Fortschritt hinterher – und viele Beschäftigte erkennen die Risiken erst, wenn ihre Stellen bereits entfallen sind.

Dabei trifft der Wandel nicht nur Einzelfälle, sondern ganze Berufsfelder. Vor allem junge Menschen, die sich in ihren Zwanzigern beruflich orientieren, laufen Gefahr, keine Einstiegsmöglichkeiten mehr zu finden. Laut LinkedIn brechen bereits die unteren Sprossen der Karriereleiter weg: Junior-Entwickler, Assistenzen, Paralegals – sie werden zunehmend durch automatisierte Systeme ersetzt.

Macht ohne Kontrolle

Die wirtschaftlichen Gewinner dieser Entwicklung stehen schon jetzt fest: große Technologie-Unternehmen wie Meta, Amazon und ihre KI-Abteilungen, dazu Investoren und Entscheider, die frühzeitig auf Automatisierung setzen. Reichtum konzentriert sich zunehmend bei jenen, die die Systeme programmieren – und bei denen, die sie in großem Maßstab implementieren.

Zurück bleibt ein wachsendes soziales Gefälle. Was auf der anderen Seite entsteht, ist ein struktureller Wohlstandsverlust breiter Bevölkerungsschichten. Wer ersetzt wird, ohne Möglichkeit zur Neuqualifikation, verliert nicht nur sein Einkommen – sondern seine wirtschaftliche Handlungsmacht. Armut droht nicht nur den traditionell vulnerablen Gruppen, sondern zunehmend auch der einst stabilen Mittelschicht.

Wakeup-Call für White-Collar-Worker

Amodei warnt: Wenn Menschen nicht mehr durch Arbeit zur Gesellschaft beitragen können, verlieren sie auch ihren Platz in einem System, das auf ökonomischer Partizipation basiert. „Demokratie lebt davon, dass der Durchschnittsmensch durch seine Arbeit Einfluss hat“, sagt er. „Wenn das wegfällt, wird es gefährlich.“ Er ist kein Untergangsprophet. Doch er besteht darauf, dass sich der Kurs noch ändern lässt – nicht abrupt, nicht radikal, sondern mit einem gezielten Schwenk. Vergleichbar mit einem Zug, der nicht aufzuhalten, aber steuerbar ist. „Man kann ihn zehn Grad in eine andere Richtung lenken. Aber das muss jetzt geschehen.“

Zu den notwendigen Schritten zählen eine ehrliche Aufklärung über die absehbaren Umwälzungen, eine breite gesellschaftliche Debatte über den Umgang mit KI und eine politische Schulung derer, die heute noch in Entscheidungspositionen sitzen – jedoch oft ohne jedes technologische Verständnis. Denn die Frage ist nicht mehr, ob der Eisberg naht. Sondern, ob man ihn noch umschiffen kann oder aus Profitgier rammt.

„Lasst sie doch mit Chatbots plaudern …“

In den Salons der Tech-Eliten hallt ein Echo aus der Geschichte. Eine Königin, die einst sagte: „Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen.“ Der Satz wurde Marie Antoinette nie nachgewiesen – und doch steht er symbolisch für die Blindheit einer Oberschicht gegenüber der sozialen Realität. Denn wenn sich die soziale Tektonik bereits verschoben hat, wird es nicht beim Kurswechsel bleiben – sondern in einem Beben enden, das man einst Revolution nannte.

Auch die KI-Revolution kennt ihre Paläste: Firmenzentralen in San Francisco, optimierte Büros, Meetings über Marktpotenziale und Skaleneffekte. Was fehlt, ist der Blick nach unten. Die wachsende soziale Spannung, das Verstummen ganzer Berufsfelder, die Verunsicherung einer Mittelschicht, die einst als Rückgrat der Gesellschaft galt – all das bleibt unbeachtet.

Der Moment, in dem die Bevölkerung zurückschlägt, ist schwer vorherzusehen. Aber er kommt selten mit Vorankündigung. Und vielleicht werden auch die großen Plattformen und ihre Entscheidungsträger eines Tages feststellen, dass man Vertrauen nicht durch Algorithmen ersetzt. Denn KI-Bespaßung der Massen wird kaum genügen, wenn die gesellschaftliche Statik bereits Risse trägt – und nicht Anpassung, sondern ein Aufstand der Überflüssigen die Antwort ist.

Dieser Beitrag ist Teil einer fortlaufenden Auseinandersetzung mit KI, Ästhetik und dem Spannungsfeld zwischen Mensch und Maschine. Weitere Essays, Bilder und Perspektiven unter:

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