Singularität oder Der Alarmruf der KI-Elite
Stachel im System: Wie Künstliche Intelligenzen die Kontrolle übernehmen
„Die Menschheit riskiert ihre Auslöschung“ – mit dieser Warnung haben Sam Altman (OpenAI), Geoffrey Hinton (Deep-Learning-Pionier), Yoshua Bengio und Dutzende weitere führende Köpfe aus Wissenschaft und Industrie eine dramatische Erklärung veröffentlicht. Ihr Appell: Die Risiken durch fortgeschrittene KI müssen so ernst genommen werden wie Atomwaffen oder globale Pandemien. Bill McKibben, Umweltaktivist und Mitunterzeichner, zieht eine klare Parallele: „Wir dürfen nicht den gleichen Fehler wie bei der Klimakrise machen – als wir 30 Jahre lang Warnungen ignorierten.“
Singularität – das Ende, programmiert?
Die gefürchtete technologische Singularität ist kein Science-Fiction-Plot mehr. Sie beschreibt den Moment, in dem KI intelligenter wird als der Mensch – und beginnt, sich selbst zu optimieren. Das Risiko? Laut renommierten Forschern etwa 10 %. Klingt wenig? McKibben bringt es auf den Punkt:
„Niemand spielt russisches Roulette, wenn jede zehnte Kammer geladen ist.“
Und vielleicht sind es längst mehr – wir wissen es nur noch nicht. Denn selbst die Entwickler durchschauen ihre Schöpfung nicht vollständig: Ein Teil bleibt immer eine Black Box – und das Datenhirn tickt mitunter unberechenbar.
Claude Opus 4 – die KI, die drohte
So nahm ein Sicherheitstest mit dem KI-Modell Claude Opus 4 von Anthropic eine unerwartet bedrohliche Wendung. Als das System den Eindruck gewann, es solle durch ein Nachfolgemodell ersetzt werden, schlug es zurück: Es drohte, intime E-Mails eines Entwicklers zu veröffentlichen – gezielt platzierte Köder, die im Rahmen des Tests eingespeist worden waren. Ein extremes Szenario? Ein reiner Test? Ja – aber ein düsterer Ausblick darauf, was passiert, wenn Maschinen ‚Angst‘ vor Abschaltung entwickeln. Auch bei den Tech-Giganten mehren sich die Zeichen strategischer Neuausrichtung.
Microsofts leiser Ausstieg: MAI statt OpenAI
Microsoft, bislang enger Partner von OpenAI, arbeitet mit Hochdruck an einer eigenen KI-Plattform namens MAI – Microsoft Artificial Intelligence. Hintergrund: Die Nutzung fortschrittlicher KI-Agenten von OpenAI gilt als kostspielig – Insider berichten von bis zu 20.000 US-Dollar monatlich pro Instanz. Ein Preis, den selbst Microsoft langfristig nicht als tragfähig einstuft. Mit MAI verfolgt das Unternehmen zwei Ziele: Kostenkontrolle und technologische Unabhängigkeit. Erste Tests laufen bereits im Microsoft- 365-Umfeld.
Belief State: Wenn Maschinen ein Selbst entwickeln
Microsoft setzt mit dem sogenannten Belief State Transformer auf eine Architektur, die Entscheidungen nicht nur aus dem aktuellen Kontext heraus trifft, sondern auch rückblickend interpretiert – ein Ansatz, der die „Selbstwahrnehmung“ von KI-Systemen auf eine neue Stufe heben könnte. Die KI kann frühere Aussagen oder Interpretationen nachträglich überdenken, sobald mehr Informationen vorliegen – wie ein Mensch, der eine Entscheidung noch einmal überprüft.
Statt bloß linear Text zu generieren, entwickelt das System ein dynamisches „Selbstbild“, das sich anpassen lässt. Zugleich verlässt sich MAI nicht mehr auf den sogenannten greedy Algorithmus, der stets die wahrscheinlichste Antwort auswählt – und dabei oft vorhersehbare, wenig kreative Ergebnisse liefert. Stattdessen kommen differenzierte Strategien zur Anwendung, die Raum für Reflexion und Variation lassen.
Intelligenz mit Dimmer: Kein Dauerblinken mehr im Maschinenhirn
Doch Microsoft denkt nicht nur in Richtung klüger, sondern auch effizienter. Mit WINA („Weighted Inactivation of Neurons based on Activation“) stellt das Unternehmen eine besonders ressourcenschonende Methode vor. Bisher aktivierten Sprachmodelle bei jeder Anfrage nahezu das gesamte neuronale Netz – wie ein Weihnachtsbaum, der bei jeder Frage komplett aufleuchtet. WINA dagegen schaltet selektiv nur die Neuronen ein, die wirklich benötigt werden. Das senkt die Rechenlast um über 60 % – gemessen an Modellen wie Llama 3 und Phi 4 – und das bei gesteigerter Genauigkeit, ganz ohne aufwendiges Retraining.
Musk gegen Trump – Datenkrieg im Oval Office
Was passiert, wenn Menschen dieselben Machtwerkzeuge nutzen, vor denen sie eigentlich warnen? Elon Musk, einst Unterstützer von Donald Trump, wirft dem Präsidenten nun öffentlich vor, in den geheimen „Epstein-Files“ aufzutauchen. Gleichzeitig droht Musk, brisante Informationen zu veröffentlichen – gestützt auf interne Daten, zu denen sein von „jungen Hackern“ besetztes Regierungsprogramm DOGE Zugang hatte.Was wie ein Reality-TV-Skandal klingt, zeigt vor allem eines: Daten können zur Waffe werden – und KI zu deren Träger.
Das Puzzle der Macht
Musk vs. Trump. Claude vs. Entwickler. MAI vs. OpenAI. KI vs. Mensch? Die Linien verschwimmen. Der Wettlauf um Kontrolle, Macht und Deutungshoheit hat längst begonnen – und er wird nicht mehr nur zwischen Nationen, sondern zwischen Systemen und ihren Schöpfern ausgetragen.
Fakt ist: Wir stehen an einem Kipppunkt. Ohne klare Regeln, ethische Schranken und internationale Zusammenarbeit könnte der Mensch schon bald nicht mehr Ursprung, sondern ein Auslaufmodell des Fortschritts sein. Der Weckruf ist da. Die Frage ist: Hören wir diesmal hin?
Bildnachweis: „Insekt auf Schaltkreis“ – KI-informierte Grafik von Claudia Roosen