»See you later, Alligator!«

»See you later, Alligator!«

»See you later, Alligator!«

Ein Blick auf die Vorbereitungen für das historische TV-Duell in Philadelphia ab 21 Uhr Ortszeit

Kamala Harris ist für fünf Tage in einem Hotel in Pittsburgh untergebracht und absolviert intensiv choreografierte Übungseinheiten für das bevorstehende Duell am Dienstagabend. Die Bühne ist aufgebaut, die TV-Beleuchtung wird nachgestellt. Ein Berater übernimmt die Rolle von Donald Trump, trägt einen Anzug, eine lange Krawatte und agiert nach dem Method Acting-Prinzip.

Die Vorbereitungen von Donald Trump gestalten sich weniger strukturiert. Die Sitzungen werden von seinen Beratern diplomatisch „Politikzeit“ genannt, um ihn indirekt mit der Herausforderung, die in Trumps Augen gar nicht existiert, vertraut zu machen. Niemand spielt Harris; manchmal stellt man ihm Fragen am Tisch, manchmal zieht jemand einen Stuhl näher heran. Bislang hat Trump nur einige wenige Sitzungen abgehalten und eine Sitzung in Las Vegas unterbrochen, um Harris‘ Rede auf dem Parteitag zu sehen.

Obwohl sich die Vorbereitungen beider Lager für den großen Abend in Philadelphia stark unterscheiden, sehen beide Seiten die Debatte als entscheidenden Moment, um Harris für Millionen von Wählern zu definieren, die über Trump Bescheid wissen, aber noch neugierig auf sie sind. Für Harris ist es wichtig, Trumps selbstzerstörerische Instinkte herauszufordern und gleichzeitig gelassen und präsidial zu wirken. Hillary Clinton, die zuletzt gegen Trump debattierte, rät ihr, sich nicht von Trump provozieren zu lassen, sondern ihn aktiv herauszufordern, um seine Schwächen aufzudecken.

In Trumps Vorbereitungen übernimmt der Abgeordnete Matt Gaetz aus Florida die Rolle des Fragers, auch zu unangenehmen Themen wie seinen Verurteilungen. Tulsi Gabbard, die Harris 2019 in einer Präsidentschaftsdebatte attackierte, hilft ebenfalls bei der Vorbereitung. Trumps Berater sind sich der Gefahr bewusst, dass er zu aggressiv wirken könnte, wie bei seinem ersten Debattierauftritt mit Joe Biden 2020. Sie befürchten, dass er seinen Unmut gegen Harris nicht zügeln kann.

Obwohl Trump Harris als weniger intelligent einstuft und in privaten Gesprächen abfällige Bemerkungen über sie macht, haben seine Verbündeten ihn ermutigt, im Debattenauftritt freundlich und vor allem nicht beleidigend aufzutreten. Ein Risiko dabei ist, dass er sich verstellen könnte und dadurch vermindert energiegeladen wirkt. Das Trump-Team verfolgt das Ziel, Harris sowohl für ihre Partnerschaft mit Biden als auch für die unbeliebten Teile seiner Präsidentschaft verantwortlich zu machen. Trump konzentriert sich insbesondere auf hohe Lebenshaltungskosten, weltweite Unruhen, öffentliche Sicherheit und Einwanderung.

Harris hat ihren Fokus nicht nur auf Trump als Bedrohung der amerikanischen Demokratie gelegt, sondern versucht, ihn als veralteten und reichen Vertreter der Eliten darzustellen. Sie hat die Strategie von Clinton verworfen, Trump als Rassisten und Sexisten zu brandmarken, und zielt darauf ab, sich mit unentschlossenen Wählern zu verbinden, die sich über die Wirtschaft und die Zukunft sorgen. Die Vorbereitungen im Omni William Penn Hotel in Pittsburgh leitet Karen Dunn, eine Demokratin, die auch Clinton durch die Wahl begleitete. Ebenfalls Teil der Coaching-Crew: die langjährige Harris-Vertraute Rohini Kosoglu.

Trump hat sich seinerseits über Harris‘ frühere Debattenauftritte informiert und wiederholt in Erwägung gezogen, die Debatte abzulehnen, insbesondere wegen seiner Abneigung gegen den Gastgeber ABC News und dessen Moderatoren. Schließlich entschloss er sich doch, die Debatte doch anzunehmen, nicht den Eindruck von Schwäche zu erwecken und weil er sich mit dem Moderator David Muir wohlfühlt.

90 hochbrisante Minuten im Wettlauf zum Wahltag

Die Debatte am Dienstagabend wird wohl die wichtigste Nacht in Kamala Harris‘ politischer Karriere sein. Es wird ihr bisher größtes Publikum bieten, während das Land versucht, mehr darüber zu erfahren, was für eine Präsidentin sie sein könnte.

Der ehemalige Präsident Donald J. Trump betritt die Debatte in der Hoffnung, einen schwierigen Sommer hinter sich zu lassen. Seit Kamala Harris Präsident Biden als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten abgelöst hat, hat sie den Abstand zu Trump in den Umfragen verringert. Der Dienstag könnte eine von Trumps besten Gelegenheiten sein, diese Dynamik umzukehren, bevor die Amerikaner mit der Frühwahl beginnen.

Die Berater und Unterstützer von Harris wollen, dass sie den ehemaligen Präsidenten dazu bringt, in zusammenhanglose Tiraden zu verfallen. Das Trump-Team hingegen will das Gespräch auf drei Themen lenken, die sie als Gewinnerthemen betrachten: die Wirtschaft, die Einwanderung und das globale Chaos. Da keine weiteren Debatten zwischen Harris und Trump geplant sind, dürften diese 90 Minuten zu den wichtigsten in der amerikanischen Politik der letzten Jahrzehnte zählen.

Kann Trump sich zurückhalten?

In den Erinnerungen der Berater des ehemaligen Präsidenten ist die erste Debatte im Jahr 2020 eingebrannt, als ein verschwitzter, von Covid gezeichneter Trump unaufhörlich über Joseph R. Biden Jr. hinwegredete und so viele Wähler verärgerte, dass seine Umfragewerte danach merklich sanken. Trump weiß, dass er in dieser Debatte schlecht abgeschnitten hat, und hat dies laut Beratern privat zugegeben. Dennoch befürchten Trumps Berater, dass er seine Feindseligkeit gegenüber Harris nicht zurückhalten kann. Das letzte Mal, als Trump gegen eine Frau debattierte, war es Hillary Clinton, seine Rivalin 2016. Er nannte sie eine „nasty woman“ und verfolgte sie auf der Bühne, aber seine Berater meinten, er sei für seine Verhältnisse relativ ruhig gewesen. Die Berater von Harris würden sich freuen, wenn am Dienstagabend die 2020er-Version von Trump wieder auftaucht.

Wird das Stummschalten der Mikrofone zu einer ruhigen Debatte führen?

Harris‘ Berater haben versucht, aber nicht geschafft, die Debattenregeln zu ändern, sodass die Mikrofone der Kandidaten auch dann an bleiben, wenn sie nicht sprechen, um Trump zu spontanen Zwischenrufen zu provozieren. Privat spricht Trump noch verächtlicher über Harris als öffentlich, sagen Berater. Er hat vulgär über ihre romantischen Beziehungen gesprochen und Harris fälschlicherweise beschuldigt, erst kürzlich ihre Schwarze Identität für politische Zwecke angenommen zu haben. Trumps Berater und Verbündete haben ihm geraten, persönliche Angriffe in der Debatte zu vermeiden, aber viele befürchten, dass er sich nicht zurückhalten kann.

Wie wird Harris auf Trumps Überraschungen reagieren?

Der Tiefpunkt von Harris’ Auftritten in den Vorwahlen 2019 kam, als die Abgeordnete Tulsi Gabbard aus Hawaii sie aufforderte, sich für ihre Bilanz als kalifornische Staatsanwältin zu entschuldigen – ein Moment, auf den Harris‘ Team sie vorbereitet hatte, auf den sie aber dennoch nicht effektiv reagieren konnte. Seitdem hat sich Harris als geschickt darin erwiesen, Trump gezielte Angriffe zu liefern, hat aber in unvorhergesehenen Momenten manchmal weniger Flexibilität gezeigt. Sie hatte in Interviews und improvisierten Situationen gelegentlich Schwierigkeiten, hat sich jedoch seit Beginn ihrer Vizepräsidentschaft als politische Akteurin weiterentwickelt.

Dennoch ist es eine ganz andere Herausforderung, gegen Trump zu debattieren als Fragen von einem Fernsehmoderator zu beantworten. Trump ist ein unberechenbarer TV-Veteran, der keinen Respekt vor den etablierten Regeln der politischen Fairness gezeigt hat.

Harris hat es bisher abgelehnt, auf Trumps unter die Gürtellinie zielende Angriffe oder seine Bemerkungen über ihre ethnische Herkunft einzugehen. Wie sie auf ähnliche Angriffe im Fernsehen reagiert – sie forderte ihn einmal heraus mit den Worten: „Wenn du was zu sagen hast, sag es mir ins Gesicht“ – könnte darüber entscheiden, wie ihr Auftritt wahrgenommen wird.

Seit sie Präsident Biden abgelöst hat, baut Harris ihre Kampagne auf einer Wahl zwischen Zukunft (ihr) und Vergangenheit (Trump) auf. Die Debatte könnte ihr eine Gelegenheit bieten, den Wählern nicht nur diesen Kontrast zu zeigen, sondern auch, wie sie reagiert, wenn sie die Chance erhält, einem Tyrannen die Stirn zu bieten.

Wer schafft den viralen Moment?

Mehr als 50 Millionen Amerikaner sahen die Debatte zwischen Präsident Biden und Trump im Juni live, und das Duell am Dienstag dürfte ein noch größeres Publikum anziehen. Zehn Millionen weitere werden das Ereignis in den Nachrichten und in den sozialen Medien verfolgen.

Die meisten Zuschauer werden wahrscheinlich nicht die gesamten 90 Minuten sehen, sondern nur wichtige Ausschnitte – von denen einige zu den sogenannten Debattenmomenten werden. Diese sind aus früheren Debatten leicht zu erinnern. Ronald Reagan sagte 1984 zu Walter Mondale: „Ich werde das jugendliche Alter und die Unerfahrenheit meines Gegners nicht für politische Zwecke ausnutzen.“ Oder vor vier Jahren, als Biden Trumps ständige Unterbrechungen mit einem spitzen „Wirst du endlich den Mund halten, Mann?“ konterte.

Natürlich erweisen sich einige dieser Schlüsselmomente als nachteilig für die Kandidaten. Präsident George H.W. Bush wurde kritisiert, als er 1992 während einer Debatte mit Bill Clinton gelangweilt auf seine Uhr schaute. Al Gores hörbares Seufzen während einer Debatte im Jahr 2000 mit George W. Bush erntete Spott. Und als Mitt Romney 2012 versuchte zu erklären, warum er als Gouverneur von Massachusetts relativ wenige Frauen eingestellt hatte, indem er sagte, er habe „Ordner voller Frauen“ zur Auswahl erhalten, sorgte das für Aufregung auf Twitter und Angriffe von Barack Obamas Wahlkampfteam. Noch ist alles möglich: Die Spannung steht auf dem Zenit.

 

Duell bei ABC – Wird Kamala Harris siegen?

Duell bei ABC – Wird Kamala Harris siegen?

Duell bei ABC – Wird Kamala Harris siegen?

Face off in Philadelphia: Wer gewinnt das Rennen um die Gunst der Wähler?

Der Wahltag ist nur noch 50 Tage entfernt. Früher bedeutete diese Zeitspanne, dass die kommenden Wochen entscheidend sein würden, um herauszufinden, wer der nächste Präsident wird. Doch dieses Jahr ist alles anders – aus mindestens zwei Gründen.

Erstens, das Rennen ist extrem knapp. Eine Umfrage von CNN in sechs wichtigen Swing-States zeigt ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Während Harris in Michigan und Wisconsin einen leichten Vorsprung hat, liegt Trump in Arizona vorne. In Pennsylvania, Georgia und Nevada gibt es keinen klaren Favoriten. Insgesamt: Es ist zu eng, um einen Sieger zu benennen.

Und es ist nicht nur CNN: Auch andere renommierte Umfrageinstitute bestätigen ähnliche Ergebnisse. Der aktuelle Durchschnitt von RealClearPolitics für Pennsylvania zeigt beide Kandidaten bei 47,2 %. Ein Bericht der Washington Post illustriert dies weiter: Nevada ist unentschieden, Trump liegt in North Carolina und Arizona mit weniger als einem Prozent vorne, in Georgia führt er mit zwei Punkten.

Harris hat dagegen in Michigan einen Vorsprung von zwei Punkten, in Pennsylvania von drei und in Wisconsin von vier. Interessanterweise gibt der Wahlprognose-Guru Nate Silver Trump derzeit eine 61,5-prozentige Chance, die Wahl zu gewinnen, während Harris bei 38,3 % liegt – der höchste Stand für Trump seit dem 3. Juli. Viele Wettmärkte sind sich dahingehend einig, auch wenn die Online-Plattform PredictIt Harris eine 53-prozentige Chance zuspricht. Einen Harris-Sieg prophezeit auch der Historiker Allan Lichtman, der mit seinen Wahl-Orakeln nur einmal in 40 Jahren falsch lag.

Battleground-Bonanza: Das sind die Schlachtfelder

Seit den Vorwahlen am Super Tuesday im März wurden in den sieben entscheidenden Swing States fast 590 Millionen Dollar für politische Werbung ausgegeben. Pennsylvania, der größte Preis im Rennen, liegt weit vor allen anderen. Über 100 Millionen Dollar wurden dort auf demokratischer Seite bereits verbrannt, eine Investition von 145 Millionen Dollar in Wahlwerbung steht noch an. Denn in einem Punkt sind sich fast alle Beobachter einig: Der wahrscheinlichste Weg für die Demokraten führt durch diese blaue Mauer und Pennsylvania ist der Schlüssel, um es ins Weiße Haus zu schaffen.

Man kann es daran erkennen, wie viel Zeit und Geld beide Kandidaten dort investieren. Der Wahlkampf der Demokraten ist dabei deutlich besser finanziert: Seit Joe Bidens Rückzug von der Kandidatur rollt bei ihnen eine nie dagewesene Spendenwelle, die in nur gut vier Wochen über 540 Millionen Dollar in die Kassen spülte. Allein in der Stunde nach der Nominierungsrede von Kamala Harris auf dem Parteitag in Chicago gingen 82 Millionen Dollar ein.

Bisher waren es vor allem viele Privatpersonen aus „Grasroot“-Bewegungen, die jeweils kleine Summen gespendet haben. Weitere Unterstützer der Harris-Kampagne sind Tech-Milliardäre aus dem Silicon Valley – wie Reid Hoffman, Mitbegründer des beruflichen Netzwerks LinkedIn, oder der Multimilliardär Georg Soros sowie Mike Bloomberg, vormals Bürgermeister von New York.

Duell bei ABC – Wird Kamala Harris siegen?

Bisher ausstehend, jedoch weiterhin möglich – die offizielle Unterstützung von Taylor Swift

Auch führende Republikaner unterstützen das gegnerische Lager: darunter Melania Trumps ehemalige Pressesprecherin Stefanie Grisham, Adam Kinzinger, Ex-Gouverneur von Georgia sowie der frühere republikanische Vizepräsident Dick Cheney. Alle sind sich einig: Nie gab es eine größere Gefahr für die Demokratie. Die Managerin von Harris‘ Wahlkampfteam, Jen O’Malley Dillon: „Ob Republikaner, Demokraten, Unabhängige oder nichts davon – Kamala Harris wird weiterhin daran arbeiten, die Unterstützung aller Amerikaner zu gewinnen.“

Raum für Hoffnung – und Manipulationen

Obwohl auch in den USA immer weniger Menschen lineares Fernsehen gucken, pumpen die Demokraten noch immer rund 170 Millionen Dollar in Fernsehspots, weitaus mehr allerdings – rund 200 Millionen Dollar – in digitale Anzeigen. Trotzdem sind sie selbstredend die „Underdogs“ in dem Rennen. Denn die Republikaner profitieren im Wahlmänner-Gremium, dem sogenannten Electoral College, weil ländliche, republikanische Staaten mehr Wahlmänner-Stimmen pro Einwohner erhalten als bevölkerungsreiche, demokratische Staaten. Demokratische Wähler hingegen sind in urbanen Gebieten konzentriert, was ihre Stimmen schwächt.

Da in den Swing States oft zahlreiche Brief- und Frühwählerstimmen abgegeben werden, die erst nach Wahlschluss bearbeitet und überprüft werden dürfen, kann die Auszählung dort mehrere Tage dauern. Dieses Zeitfenster nutzen zwielichtige Akteure, um Zweifel an den Ergebnissen zu schüren – so wie Donald Trump bereits 2020 den langsamen Auszählungsprozess für unbegründete Wahlbetrugsvorwürfe ausnutzte. Selbst wenn die Demokraten derzeit Spendenrekorde einfahren, ist ihr finanzieller Vorsprung kein Garant für einen Wahlerfolg: Auch Hillary Clinton verfügte seinerzeit über erhebliche Mittel und hatte mehr als doppelt so viele Ressourcen wie die Republikaner – und doch gewann Trump.

Harris gegen Trump: im Schatten von Project 2025

Kamala Harris und Donald Trump treten am Dienstag zum ersten Mal in einer Debatte gegeneinander an, nur acht Wochen vor dem Wahltag. Die Debatte, die von ABC News moderiert wird, findet im National Constitution Center in Philadelphia statt und wird von David Muir und Linsey Davis geleitet. Dies wird möglicherweise die einzige Präsidentschaftsdebatte zwischen den beiden Kandidaten sein. Die Vizepräsidentin begegnet dem Ex-Präsidenten erstmals, denn nach Trumps Wahlniederlage gab es aufgrund des Sturms seiner Anhänger auf das US-Kapitol keine Amtsübergabe.

Die Kandidaten stellen sich nun auf den Schlagabtausch ein. Harris sagte am Mittwoch vor Reportern, dass ihre Vorbereitungen „bisher gut laufen“, nachdem sie in New Hampshire Wahlkampf gemacht hatte. In einem Radiointerview mit „The Pulse of NH“ am selben Tag sagte Trump: „Ich übe sowieso schon mein ganzes Leben lang für Debatten wie diese.“

Duell bei ABC – Wird Kamala Harris siegen?

Momentum bei der jüngeren Generation: eine digital inspirierte Kampagne für Gen Z voller Emotionen

Ein Donald Trump 2.0 wäre weit gefährlicher als der oft populistisch auftretende Demagoge von 2020. Das rechtsradikale Manifest „Project 2025“ der Trump-Hardliner liefert die Blaupause für den Umbau Amerikas in eine Autokratie. Das düstere Programm, erinnernd an Margret Atwoods dystopischen Roman „Der Report der Magd“, verleiht dem Präsidenten nahezu unbegrenzte Machtbefugnisse und beugt den Obersten Gerichtshof und das Militär zu seinen Gunsten. So drohen Regierungsbeamten Entlassungen, um sie durch MAGA-Loyalisten zu ersetzen, die seine xenophobe, frauenfeindliche und protektionistische Agenda unterstützen.

In der internationalen Presse wird mit zweierlei Maß gemessen. Trump profitiert von einem kollektiven Abstumpfungsprozess, der durch seine zahlreichen Entgleisungen und Lügen entstanden ist. Während der erratische Propagandist ungestraft über blutrünstige Haie und den fiktionalen Serienkiller Hannibal Lecter schwadronieren kann, wird Harris bereits für eine Haltungsänderung zum umstrittenen „Fracking“ – einer Technik, bei der durch Wasser, Sand oder Chemikalien Öl und Erdgas aus unterirdischen Gesteinsschichten gewonnen wird – zur Verantwortung gezogen.

Das Trump-Team verfolgt das Ziel, Harris sowohl für ihre Partnerschaft mit Biden als auch für die unbeliebten Teile seiner Präsidentschaft verantwortlich zu machen. Trump konzentriert sich insbesondere auf hohe Lebenshaltungskosten, weltweite Unruhen, öffentliche Sicherheit und Einwanderung. Bis heute eine offene Flanke ist auch der von ihr im Jahre 2021 mitgetragene Rückzug amerikanischer Truppen aus Afghanistan.

Das Duell wird 90 Minuten dauern und ohne Publikum stattfinden. Beide Kandidaten werden abwechselnd sprechen, wobei jeweils das Mikrofon des anderen stumm geschaltet wird. Trump, der die Münzwurfentscheidung gewann, wird die Abschlussrede halten. Für viele Republikaner könnte dieses Duell seine beste Chance sein, im Rennen um die Präsidentschaft Boden gutzumachen: vorausgesetzt, er bleibt diszipliniert und konzentriert sich auf politische Inhalte statt auf persönliche Angriffe. Hoffentlich gelingt ihm das nicht.

Duell bei ABC – Wird Kamala Harris siegen?

Was man vor der Debatte wissen sollte

1. Wann ist die Debatte? Harris und Trump debattieren am Dienstag, dem 10. September, um 21 Uhr ET. Die Debatte dauert 90 Minuten mit zwei Werbepausen.

2. Wo findet die Debatte statt? ABC News veranstaltet die Debatte im National Constitution Center, einem privaten, gemeinnützigen Bildungszentrum und Museum, das der US-Verfassung in Philadelphia gewidmet ist.

3. Wer moderiert die Debatte? David Muir und Linsey Davis von ABC News
Die Kandidaten werden zwei Minuten Zeit für ihre Antworten haben, zwei Minuten für Widerlegungen und eine Minute für Nachfragen oder Klarstellungen.

»Dictator on Day One«: Wer stoppt Trump?

»Dictator on Day One«: Wer stoppt Trump?

Von Claudia Roosen, 03.05.2024, 09:37, Lesedauer: 7 Minuten

Die Stadt, die niemals schlief, versus Donald Trump, dem schon in der Vorverhandlung die Augen zufielen: Vielleicht war es auch einfach nur ein Kulturschock für ihn. Statt des opulenten Ambientes seines Luxusanwesens Mar-a-Lago ist es nur ein kalter, alter Gerichtssaal, der ihn täglich erwartet – jenseits seiner Scheinwelt, ganz ohne vertraute „Yes“-Men oder MAGA-Fans, die sonst Fähnchen schwenken. Trotz beschwörender Worte auf seinem Kanal Truth Social hatte sich bei den Eröffnungs-Plädoyers nur ein überschaubares Grüppchen rot verkappter Wutbürger vor dem Gerichtsgebäude versammelt: New York ist eben auch die Stadt, die bei Bidens Sieg auf den Straßen tanzte. Aber eins nach dem anderen …

Die Staatsanwälte im Strafprozess gegen Donald Trump in New York nutzten ihre Eröffnungserklärung, um eine kühne – und potenziell riskante – These darzulegen: „Trump hat eine kriminelle Verschwörung orchestriert, um die Präsidentschaftswahl 2016 zu manipulieren.“ Warum das wichtig ist: Der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, Alvin Bragg, möchte, dass sein Fall – der weithin als die schwächste der vier Anklagen gegen Trump gilt – über den Rahmen eines schmutzigen alten Sexskandals hinaus betrachtet wird. „Dies war eine geplante und koordinierte Verschwörung, um die Präsidentschaftswahl 2016 zugunsten Donald Trumps zu beeinflussen, mittels illegaler Ausgaben“, argumentierte der Staatsanwalt Matthew Colangelo. „Spoiler-Alarm:“, kontert Trumps Anwalt Todd Blanche. „Es ist nichts falsch daran, die Wahl zu beeinflussen. Das nennt man Demokratie.“

Diese gegensätzlichen Erzählungen werden die Darbietungen beider Seiten beeinflussen, während eine Jury aus 12 New Yorkern darüber entscheidet, ob ein ehemaliger Präsident zum ersten Mal in der Geschichte der USA verurteilt wird. Denn für die Anklage dient der angebliche Komplott, Schweigegeld zu zahlen, dem alleinigen Zweck die negative Berichterstattung zu vertuschen: „Es war Wahlbetrug, ganz einfach.“

Für die Verteidigung sind die 34 Anklagepunkte gegen Trump wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen „nur 34 Stück Papier“ – ein simpler Streit über „Buchführung.“ Die Anklage behauptet, dass Trump, sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen und der Boulevardverleger David Pecker im Jahr 2016 einen Komplott ausgeheckt haben, um Gerüchte zu ersticken, die Trumps Image im Wahlkampf hätten schaden können. Dazu gehören angebliche Affären mit der Porno-Darstellerin Stormy Daniels sowie Karen McDougal, vormals ein Playboy-Modell. Eine weitere Veröffentlichung über eheliche Untreue hätte sich nach dem ‚Access Hollywood‘-Tape mutmaßlich verheerend auf den Wahlkampf ausgewirkt.

Dabei bezieht sich Colangelo auf die Aufnahme von 2005, in der Trump damit prahlt, Frauen ohne ihre Zustimmung zu belästigen. Trumps Anwalt teilt im Gegenzug wiederholt gegen Cohen und Daniels aus, die als Zeugen der Anklage erwartet werden, mit dem Ziel ihre Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen: „Michael Cohen wollte einen Job in Trumps Regierung, ging jedoch leer aus“, postulierte Blanche und nannte Trumps früheren „Fixer“ einen „Kriminellen“, der „besessen“ davon sei, Trump ins Gefängnis zu bringen. „Daniels witterte ihre Chance, an Trump viel Geld zu verdienen, 130.000 Dollar“, diskreditiert Blanche die ehemalige Pornodarstellerin: Ihre Aussage werde zwar „sittenwidrig“ sein, jedoch irrelevant für die Anklage.

»New York vs. Donald Trump«: Rette ihn, wer kann …

Anders als bei seinen Fällen in Georgia und D.C. wurde Trump in New York nicht wegen Verbrechen im Zusammenhang mit Wahlbeeinflussung angeklagt. Bragg besteht darauf, dass dies nicht notwendig sei, um die „Vertuschung“ zu verfolgen, aber die Eröffnungserklärungen machten eines klar: Eine Verurteilung erfordert, dass die Jury glaubt, dass Trump bereit war, sich seinen Weg Wahlsieg 2016 mit Lügen zu ergaunern. Für Trump, der weiterhin behauptet, dass seine rechtlichen Probleme „Wahlbeeinflussung“ durch die Demokraten darstellen, ist das Argument, dass er Wahlbetrug begangen hat, um das Weiße Haus zu gewinnen, der ultimative Schlag ins Gesicht.

Niemand würde sich freiwillig dort aufhalten: Der Gerichtssaal ist schmuddelig, schäbig, in vernachlässigtem Zustand. Es riecht nach alter Suppe und schalem Atem. Ein krasses Kontrast-Programm, den früheren Präsidenten – als jemand, der zeitlebens sein Luxus-Label verkörpern wollte – in nüchterner und zugleich angespannter Amtsatmosphäre zu erleben. Dafür steht das hohe Polizeiaufgebot im Saal, und Monitore, die alles gnadenlos abbilden, ganz ohne Weichzeichner. Auch Trump zwischen den Verhandlungen: müde, machtlos und wütend. Kaviar für seine Feinde: Der Ehemann und Vater, als den ihn die Verteidigung vorstellt, erscheint meistens allein. Ohnehin scheint er mehr an der Anzahl der Claqueure als an der Anwesenheit seiner Familie interessiert zu sein.

Auch der Ex-Verleger der Boulevardzeitung »National Enquirer«, David Pecker, trat bereits zum zweiten Mal vor der Grand Jury in New York auf. Bei den Schweigegeldzahlungen an Pornostar Stormy Daniels hat er zeitweise mit Trumps Anwalt zusammengearbeitet. Er erweist sich als guter Zeuge, nimmt kein Blatt vor den Mund, berichtet freimütig, fast fröhlich über den unethischen Scheckbuch-Journalismus, den sein Blatt betreibt. Schont sich auch selbst nicht dabei, ermutigt durch die ihm zugesagte Straffreiheit. Erklärt den „Catch and Kill“-Deal: Wenn Trump ihm die geforderten 30.000 Dollar zahlte, hatte er eben auch das volle Recht auf Exklusivität. Ein Freundschaftsdienst: Veröffentlicht hätte die Enthüllungsstory wahrscheinlich den größten Umsatz seit dem Tod von Elvis Presley gehabt.

»Was haben wir getan?«

Ein weiteres schlagkräftiges Beweisstück: eine SMS aus dem Jahr 2016, die von Stormy Daniels Anwalt Keith Davidson an Dylan Howard geschickt wurde, der damals der Chefredakteur des Tabloids National Enquirer war. „Was haben wir getan?“ fragte Davidson Howard, als die Ergebnisse in der Wahlnacht eintrafen. Howards Antwort lautete: „Oh mein Gott.“ Die beiden Männer hatten über mögliche Deals für Daniels und McDougal gesprochen. In seiner Zeugenaussage definierte Davidson die Tonalität der Textnachrichten am Wahltag als „Galgenhumor“: „Es gab ein Verständnis dafür, dass unsere … Aktivitäten möglicherweise zur Wahlkampagne von Donald Trump beigetragen haben könnten.“

Juristisch gesehen ist das wichtig. Denn die Straftat, mit der Trump angeklagt ist, wird lediglich als Ordnungswidrigkeit eingestuft, es sei denn, sie wurde begangen, um eine andere Straftat zu fördern. Davidsons Aussage unterstützt das Argument der Anklage, dass die Deals darauf abzielten, Trump bei der Präsidentschaftswahl 2016 zu helfen, nicht nur, um ihm persönliche Peinlichkeiten zu ersparen. Der Richter prüft indessen weitere Verstöße gegen die „Maulkorb“-Verordnung, die unterbinden soll, dass er Jury und Zeugen einschüchtert.

Step by Step dringen weitere Details ans Licht: Ein Tonband Mitschnitt, der Zahlungen an das Playboy-Modell Karen McDougal impliziert. Eine Spenden-E-Mail von Trumps Kampagne, die ebenfalls gegen Auflagen verstoßen hat. Der ehemalige Präsident wird zudem in den Anklagen gegen 18 Republikaner im Zusammenhang mit einem kriminellen Komplott in Arizona zugunsten seiner Wiederwahl als nicht angeklagter Mitverschwörer genannt. Ihnen zufolge versuchten seine Verbündeten, die Wahlmännerstimmen des Staates für Trump zu sichern, obwohl diese rechtmäßig an Joe Biden gingen.

Auch andere Charaktere sind vorgeladen: wie Trumps ehemalige Vertraute Hope Hicks, die einen tiefen Einblick in die Kommandokette von Trump World gibt und während der Befragung in Tränen ausbricht. Mit Spannung erwartet: Michael Cohen, ein Kronzeuge im Prozess, der gegen Trump aussagen wird, während zugleich Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit bestehen. Auch Keith Davidson gerät zunehmend unter Druck und wird nun als möglicher Erpresser dargestellt. Ex-Verleger David Pecker sagt zum zweiten Mal aus. Es gibt Nachfragen und Klärungsbedarf: Das Zeugen-Karussell dreht sich.

Wird Trump vielleicht sogar selbst den Zeugenstand betreten? „Ich darf nicht aussagen, weil dieser Richter, der völlig befangen ist, mich unter eine verfassungswidrige Gag-Order gestellt hat“, behauptet er nun, obwohl diese ihn nur daran hindert, verbotene Kommentare an Zeugen, Jurymitglieder und Anwälte im Fall zu richten. Wird es der Anklage gelingen, die Fäden zusammenzuführen und eine kohärente Story zu erzählen? Eine, die die Jury davon überzeugt, dass eine kriminelle Absicht besteht? Wie weit wird Trump zur Verfolgung seiner radikal konservativen Agenda gehen? Das wird man sehen.

History Repeating? Trump: „I was too nice!“

In einem exklusiven Interview mit dem TIME-Magazin, das jetzt veröffentlicht wurde, sagte der ehemalige Präsident, dass er im Falle einer Wiederwahl noch wesentlich autokratischer vorzugehen plant. Seine Agenda umfasst die Verwendung des US-Militärs zur Abschiebung von elf Millionen illegalen Einwanderern, den Einsatz der Nationalgarde zur Unterdrückung von Protesten, die Ausdünnung des öffentlichen Dienstes und vieles mehr, so die Quelle. Dazu zählt auch die Freilassung der wegen des Sturms auf das US-Kapitol Inhaftierten, die in seinen Augen Patrioten und Geißeln der Demokraten sind sowie ein Rachefeldzug gegen politische Gegner. Auch die erneute Anstiftung zu einem Aufstand schließt er im Falle einer Niederlage nicht aus. Noch dominiert er in Umfragen das Rennen ums weiße Haus.

»Dictator on Day One«: Wer stoppt Trump?