Momentum für die Demokraten

Momentum für die Demokraten

Momentum für die Demokraten

Präsident Joe Biden zieht seine Kandidatur zurück und teilt mit, dass er Kamala Harris als seine Nachfolgerin empfiehlt.

Chance oder Chaos: Kann Kamala Harris Trump schlagen?

Sie will es sich verdienen: genügend Delegiertenunterstützung, um die Kandidatin der Demokraten zu werden. Die Zustimmung der kalifornischen Delegation bringt sie spätestens dann über die erforderliche Schwelle, wenn die Partei sich beim Kongress in Chicago trifft. Joe Biden hat sie bereits offiziell als seine Nachfolgerin vorgeschlagen: „’I´m watching you, Kid!“– scherzt er, als er sich aus der Corona-Isolation zurückmeldet. Nun, da sein Rücktritt ausgemacht ist und er unerwartet den Widerstand gegen lauter werdende Bedenkenträger aufgibt, was ein Gamechanger für den US-Wahlkampf ist …

Harris war auf dem Weg in den umkämpften Bundesstaat Wisconsin am Dienstag, als ihre Kampagne für das Weiße Haus so richtig in Schwung kam. In einer schon jetzt historischen Rede vor Wahlkampfmitarbeitern in Wilmington, Delaware machte sie klar, was sie plant und erwies sich dabei als starker Kommunikator:

„Bevor ich zur Vizepräsidentin und Senatorin gewählt wurde, war ich Justizministerin, und davor Staatsanwältin in einem kalifornischen Gericht. In diesen Ämtern hatte ich es mit Tätern aller Art zu tun: Triebtäter, die Frauen missbrauchen, Betrüger, die Konsumenten abzocken und Schwindler, die gegen Regeln verstoßen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Glaubt mir: Ich kenne solche Typen wie Donald Trump.“

Für Wähler eine effektvolle Gedankenstütze, dass ihr politischer Rivale ein verurteilter Straftäter ist, für schuldig befunden in einem Zivilprozess des sexuellen Übergriffes sowie einer Phalanx weiterer Delikte: von Vergewaltigungsvorwürfen über Wahlbeeinflussung, Geschäftsbetrug, Steuerhinterziehung bis hin zu Dokumenten-Diebstahl mit dem Potenzial zum Hochverrat sowie einer Zivilklage wegen Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar.

Donald Trump wolle das Land zurückwerfen, in eine Zeit der Unterdrückung und Ungleichheit. Sie aber glaube an eine gerechte  Zukunft, in der jeder Bürger die Chance hätte, nicht nur so eben über die Runden zu kommen, sondern sozial aufzusteigen:

„Es gibt Menschen, die meinen, wir sollten ein Land des Chaos, der Angst und des Hasses sein, aber wir wählen etwas anderes. Wir wählen die Freiheit“, so die 59-Jährige. Es gehe um die Freiheit von Menschen, über ihren eigenen Körper entscheiden zu können, und die Freiheit, in Sicherheit vor Waffengewalt zu leben: „Wir entscheiden uns für eine Zukunft, in der kein Kind in Armut lebt, sich alle eine Gesundheitsversorgung leisten können und in der niemand über dem Gesetz steht.“

Sie macht sich auch eindrucksvoll als Verteidigerin von Abtreibungsrechten stark – unter Bezugnahme auf das berüchtigte „Project 2025“ ein erzkonservatives Manifest der Heritage Foundation und Steilvorlage für die autokratische Agenda der Republikaner, ein dystopisch anmutendes Vorhaben, erinnernd an Margret Atwoods „Report der Magd“. Die Botschaft zündet, als sie wirkungsvoll skandiert: „We are not going back.“

Es gäbe kein Zurück: in eine Zeit wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und in eine dunkle, anachronistische Weltsicht, beherrscht von Angst, Hass und Isolationismus. Die Menge jubelt ihr zu und echot das neue Meme energetisch. Passender Weise ist der neue Wahlwerbespot der Demokraten mit dem Song „Freedom“ von US-Superstar Beyoncé unterlegt.

Einen Tag zuvor hatte der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, der als einer der Top-Kandidaten für Harris‘ Vizepräsidentschaftsauswahl gilt, das filmreife Narrativ – Cop versus 78-jährigen Kriminellen – während eines Interviews bereits aufgegriffen. Beshear bezog sich auf J. D. Vance, den Trump als seinen Running Mate wählte:

Noch vor nicht allzu langer Zeit habe Vance Trump als „Amerikas Hitler“ bezeichnet. Beshear spielte dann mit dem Doppelsinn von Conviction (das Wort steht im Englischen für Überzeugung und Verurteilung zugleich):  J.D. Vance habe keine Conviction, sein Mitstreiter dafür 34.

Die Harris-Kampagne nahm diesen Clip und postete ihn auf ihrem Account, @KamalaHQ, der seit Sonntag die Anzahl seiner Follower verdoppelt hat. Die britische Popsängerin Charli XCX setzte parallel einen Tweet ab, der das Internet erst recht auf den Kopf stellte. „Kamala IS brat“, postet sie und meint: „frech“ im positiven Sinne.

Inzwischen wird Kamala Harris von einflussreichen Meinungsführern unterstützt, so dass ihre Nominierung auf dem demokratischen Parteitag im August so gut wie gesichert ist. Unter ihnen sind große Namen wie die demokratische „Grand Dame“ Nancy Pelosi, die Clintons sowie zahlreiche Gouverneure wie Wes Moore von Maryland, JB Pritzker, Illinois, die damit ausscheiden als potenzielle Rivalen. Heute folgte das offizielle Endorsement von Michelle und Barack Obama.

Mit Spannung erwartet wurde auch die erste Umfrage seit dem Rückzug Bidens. Nun gibt es vorläufige Zahlen nach dessen Ankündigung  vom Sonntag. Laut Reuters/Ipsos verzeichnet Kamala Harris einen knappen Vorsprung gegenüber Trump und kommt dabei auf 44 Prozent, Trump nur auf 42 Prozent. Die Erhebung ist nur eine Momentaufnahme, das Geschehen derzeit hochdynamisch: Alle Werte liegen innerhalb der Fehlermarge.

In den bevorstehenden Wochen und Monaten – nur noch 64 Tagen bis zu den ersten Briefwahlen – wird Kamala Harris alles in ihrer Macht liegende tun, um ihre entzweite Partei zu vereinen. Sie startet mit starkem Rückenwind aus den Reihen der Demokraten und rekordverdächtigen Spendeneinnahmen in das Rennen um die US-Präsidentschaft.

Und eine weitere Entscheidung steht an: die Wahl des Vizepräsidenten. Mögliche Kandidaten: die Gouverneure Andy Beshear aus Kentucky, Mark Kelly aus Arizona, Roy Cooper aus North Carolina, Tim Walz aus Minnesota, Josh Shapiro aus Pennsylvania  und der US-Verkehrsminister Pete Buttigieg, der enge Verbindungen in alle umkämpften Wahldistrikte pflegt. Wiederholt im Gespräch: Gretchen Whitmer aus Michigan. Auch wenn es manchen gewagt erscheint: Die Zeit ist reif – für eine weibliche Doppelspitze.

 

Das Attentat: Amerika unter Schock

Das Attentat: Amerika unter Schock

Das Attentat: Amerika unter Schock

Eskalation der Gewalt in Amerika: Neustart für den US-Wahlkampf?

Es war ein glühend heißer Nachmittag in Pennsylvania, heiß genug, um die Sanitäter auf Trab zu halten, während die Menschen in der sengenden Sonne dahinschmolzen. Doch die Hitze hatte die Begeisterung von Zehntausenden auf dem Gelände der Butler Farm Show kaum gedämpft, die auf Donald J. Trump warteten. Als er schließlich auftauchte, reagierte die Menge wie gewohnt: Sie buhten, als er Präsident Biden erwähnte, höhnten, als er von einer manipulierten Wahl sprach, und jubelten, als er sagte, er würde Amerika wieder großartig machen. Dann ertönte ein neues Geräusch. Ein Feuerwerkskörper vielleicht?

So schien es, bis sich Donald  Trump sich ans Ohr griff. Nun war klar: Es handelte sich um Schüsse. Ein Tag voller zorniger Emotionen wurde plötzlich von Angst zerrissen. Rund um die Tribüne, auf der der Ex-Präsident gesprochen hatte, unter einer riesigen amerikanischen Flagge, die zwischen zwei Kränen hing, duckten sich die Zuschauer. Geheimdienstmitarbeiter stürmten auf ihn zu. Tausende von Menschen, von denen auf den Tribünen bis zu denen, die auf einer großen Rasenfläche zusahen, ließen sich fast gleichzeitig zu Boden fallen.

Kurz bevor die Schüsse fielen, sagten einige in der Menge, es schien, als hätten Polizeischützen, die auf einer Scheune saßen, eine Bewegung in der Nähe bemerkt. Die Schützen schienen sich auf etwas neben der Tribüne in Richtung eines Gebäudes und eines Wasserturms direkt außerhalb des Geländes der Farm Show zu konzentrieren.

Sobald die Schießerei ausbrach, erwiderten die Schützen das Feuer. Manche Rally-Besucher beteten das Vaterunser. Einige begannen zu weinen, andere schrien, während die Polizisten riefen, alle sollten sich hinlegen. Einer der Lautsprecher, offenbar von einer Kugel getroffen, kippte um. Als das Knallen ein paar Sekunden später aufhörte und die Köpfe sich wieder erhoben, offenbarte sich das düstere Nachspiel.

Laut dem Secret Service wurden eine Person, die an der Kundgebung teilgenommen hatte, sowie der Verdächtige getötet und zwei Zuschauer schwer verletzt. Das FBI identifizierte den Verdächtigen als Thomas Matthew Crooks, 20, aus Bethel Park, Pa. Der ideologische Hintergrund ist unbekannt, aber es handelte es sich um einen registrierten Republikaner. Die Behörden fanden am Tatort ein halbautomatisches Gewehr vom Typ AR-15, berichteten zwei Strafverfolgungsbeamte.

Trump kam wieder auf die Beine. Er hatte ein wenig Blut auf der Stirn, schien aber nicht schwer verletzt zu sein. Als er von der Bühne begleitet wurde, reckte er noch seine Faust in die Luft, während eine große Menge um ihn herum ihm erneut zujubelte. Sie rief „USA! USA!“, obwohl die Rufe nicht ganz so kräftig waren wie noch vor ein paar Minuten. Dann verschwand Donald Trump in Geleit von  Strafverfolgungsbeamten in einem SUV.

Andere Beamte forderten dann alle auf zu gehen, und so machte sich die Menge, die stundenlang in der Hitze geschwitzt hatte, in einem Nebel von Schock und Desorientierung auf den Weg zu den Ausgängen. Später würde Trump auf Truth Social sagen, er sei von einer Kugel getroffen worden, die den oberen Teil seines rechten Ohrs durchbohrte. Die Zuschauer kehrten zu ihren Trucks und Autos zurück, tauschten sich darüber aus, was sie gesehen und gehört hatten, verbreiteten bedrohliche Gerüchte oder räumten ein, dass sie in dem Chaos nicht viel gesehen hatten.

Fast eine Stunde nach der Schießerei, nachdem das Gelände geräumt war und der Verkehr auf dem Weg aus der Stadt nachgelassen hatte, war die Welt immer noch erschüttert. Politiker und politische Gegner aller Parteien verliehen ihrer Empörung und Besorgnis Ausdruck. Biden kündigte ein versöhnliches Telefonat mit Trump an: Jeder, einfach jeder, müsse den brutalen Anschlag verurteilen. Geheimdienstmitarbeiter bestätigten, der Ex-Präsident sei in Sicherheit. Wird die Welt zusammenrücken oder dreht sich die Spirale der Gewalt weiter und falls ja, wird die amerikanische Demokratie letztlich daran scheitern? Das wird sich zeigen.

 

 

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

Paralleluniversum: Die Republikaner schließen die Reihen um ihren neuen Guru.

US-Radar: Was ist, wenn beide Seiten Unrecht haben, was die Auswirkungen der Debatte betrifft?

Die Reaktion der Demokraten auf die Debatte am Donnerstag war, als würde man die Phasen des Kübler-Ross-Modells der Trauer in raschem Tempo ablaufen sehen. Es gab Verleugnung („Er hat eine Erkältung“), Wut („Wie konnten die CNN-Moderatoren das nur ohne Intervention zulassen?!“), Verhandeln („Okay, wir können ihn ersetzen“), Depression („Die Wahl ist ungewinnbar“) und schließlich Akzeptanz („Wir stehen zu unserem Kandidaten!“). Die Republikaner hingegen schwelgten in Euphorie: Nichts weniger als ein Erdrutschsieg à la Carter-Reagan stände jetzt an.  

Fakt ist: Der schwache Auftritt von US-Präsident Joe Biden in der TV-Debatte mit Donald Trump hat die Spekulationen über einen möglichen Austausch des demokratischen Kandidaten angeheizt. Unlängst schaltete sich auch der renommierte Wahlvorhersager Allan Lichtman ein. In einem Interview mit dem Sender CNN warnte der US-Historiker die Demokratische Partei davor, Biden zu ersetzen: „Eben jene selbst berufenen Experten, die uns 2016 in die Irre geführt haben, geben den Demokraten nun einen fatalen Rat. Für mich beweist diese Stimmungslage, was ich seit Jahren sage: Die Republikaner haben keine Prinzipien und die Demokraten kein Rückgrat.“ Die öffentliche Meinung hielte derweil an einem „eklatanten Lügner“ fest, der in jeder Minute alle 20 Sekunden dieser Debatte gelogen habe.

Das alles ist nur eine Momentaufnahme, ich schreibe deshalb diese Kolumne mit einer gewissen Vorsicht. Eine Flut von Umfragen könnte jederzeit herauskommen und den Eindruck erwecken, dass Trump einen massiven Vorsprung hat. Ein führender Meinungsforscher der Biden-Kampagne hat am Montag neue interne Umfrageergebnisse in Umlauf gebracht. Sie zeigen, dass Bidens Leistung während des  TV-Duells die Umfragen kaum negativ beeinflusst hat. Was, wenn am Ende „nichts“ ist? Spulen wir sechs Wochen zurück:

Donald Trump war in einem Gerichtssaal in Manhattan, angeklagt wegen der Fälschung von Geschäftsdokumenten, um eine Affäre mit einem Pornostar zu verbergen. Der Konsens aller Analysten war folgender: Für jede andere Kandidatur wäre dies der Todesstoß. Aber bei Trump ist das alles schon eingepreist. Jeder weiß, dass er ethisch herausgefordert ist. Jeder weiß, dass er dumme Dinge sagt und tut. Es kümmert keinen wirklich.

Ihre Analyse war im Grunde korrekt. Es gab einige Hinweise darauf, dass Bidens Umfragewerte gesunken waren, aber insgesamt änderte sich wenig im Rennen. Was, wenn die meisten Menschen bereits wissen, dass Biden ziemlich fragil ist? Sie haben die teils manipulierten, teils echten Videos gesehen, in denen er vor sich hin murmelt, auf der Bühne stecken bleibt, einfriert oder scheinbar umherirrt. Was, wenn auch das längst eingepreist ist? Weder die Erinnerung an den 6. Januar hat die Dynamik der Kampagne stark verändert, noch wird der nun deutliche Nachweis, dass Präsident Biden ziemlich alt ist, eine bereits verfestigte Wahrnehmung beeinflussen.

Die begrenzten Umfragen, die existieren, abgesehen von parteiischen Meinungsforschern, scheinen diese Einschätzung zu bestätigen. So zeigte Morning Consult am Freitag nach der Debatte Biden sogar mit einem Punkt Vorsprung. In der kürzlich veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gaben gut 39 Prozent der Befragten an, im November für Biden zu stimmen. Ex-Präsident Trump landete bei 38 Prozent. Data for Progress sieht Trump mit drei Punkten Vorsprung. Ihre letzte Umfrage im März zeigte Biden mit einem Punkt Vorsprung. Survey USA zeigte Trump mit zwei Punkten Vorsprung; ihre vorherige Umfrage zeigte ein Unentschieden. In Michigan zeigte EPIC-MRA Trump mit vier Punkten Vorsprung, ebenso ihre vorangegangene Februar-Umfrage.

Und die Lücke zwischen den beiden wird wieder kleiner. In einer Umfrage von Bloomberg News, die in der ersten Juliwoche durchgeführt wurde, sprachen sich 47 Prozent der Befragten für Trump und 45 Prozent für Biden aus. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Durchschnittswerte der wahlentscheidenden „Swing States“ Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. Dies ist konsistent mit einem bescheidenen Anstieg für Trump. Noch einmal, es gibt hier nicht viele Daten, aber es scheint nicht, als würde das Rennen Biden entgleiten. Das neue Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Immunität des Präsidenten wird wahrscheinlich die demokratischen Anhänger für die Unterschiede zu Trump sensibilisieren und dazu beitragen, Abwanderungen oder die Drohung, zu Hause zu bleiben, zu verhindern. Vielleicht zeigt die nächste Reihe von Umfragen etwas anderes.

Würden die internen Umfragen der Demokraten einen Zusammenbruch zeigen, ständen die Parteifunktionäre nicht mehr so entschlossen hinter Biden. Das ist zumindest meine Meinung. Wo das Debatten-Debakel dennoch Auswirkungen hat: Für ihn ist es eine verpasste Gelegenheit. Er wollte doch die Dynamik des Rennens neu entscheiden. Insofern ist es schon ein Rückschlag, zumindest in gewissem Maße. Denn eine weitere Chance zu verspielen kann er sich nicht leisten.

Update: Diese Woche wurde Biden von ABCs George Stephanopoulos auf dem Wahlkampfweg interviewt. Das hochkarätige Format war das erste im Fernsehen ausgestrahlte Interview, an dem der Präsident seit seinem schlechten Abschneiden teilnahm. Die Asymmetrie der Erwartungen hält bis heute an. Liest man das Transkript, sind es nicht seine Worte an sich. Joe Biden gelingt es viel mehr nicht, plötzlich zwanzig Jahre jünger zu erscheinen. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen dem kollektiven Präsidenten-Ideal und einem fragilen alten Mann.

Ein CBS/Yougove-Schnappschuss zeigt laut Steve Kornacki, dass allein 45 % der Demokraten glauben, Biden sollte aus dem Rennen aussteigen. Nach einer Umfrage in New Hampshire führt Trump mit 2 Punkten, früher war lag Biden weit vorn. Die Krux: Kamala Harris schneidet nicht besser ab. Das gilt auch für den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom, Gretchen Whitmer aus Michigan und andere potenzielle Nachfolger: sicherlich ein Warnsignal, denkt man an einen Ersatz. Um das „Conundrum“ aufzulösen, sollten die Demokraten beizeiten ein Kaninchen aus dem Hut zaubern und kreativ bleiben. Denn heute berichten informierte Kreise, Biden könnte noch vor dem Nominierungs-Parteitag ausscheiden.

Veröffentlicht am: 02.07.2024 Zuletzt aktualisiert: 04.07.2024, 00:25 Uhr MEZ

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

„Top Auswahl, Lady Liberty: War da nicht noch der Kennedy-Neffe mit dem Hirn-Parasiten?“ © Felix Amadeus Flick

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte: Schon bald ist Trump nur noch eine Randnotiz.

Wie ist es möglich, dass ein Kandidat wie Trump trotz all seiner bekannten Verfehlungen mit Kamala Harris Kopf an Kopf liegt? Vom Versuch, die letzte Wahl zu kippen, über zwei Amtsenthebungen, vier Anklagen und 86 Strafanzeigen bis hin zu Verurteilungen wegen sexueller Übergriffe, Rassismus und Frauenfeindlichkeit sowie der Ansage, das Militär auf politische Gegner zu hetzen – dennoch besteht eine 50-prozentige Chance, dass er erneut Präsident wird. Ein Grund dafür ist jene stabile und wachsende Bewegung, die Trump nicht trotz, sondern wegen dieser Vergehen unterstützt. Zeit für etwas Zuversicht!

Auch wenn die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit fatalem Ausgang vorhersagen: Kamala Harris wird die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten. Am 20. Januar 2025 wird sie Amerikas erste Präsidentin, die erste Frau als Oberbefehlshaberin und die erste Person asiatischer Herkunft im höchsten Staatsamt sein. Während Joe Biden die Perspektive eines Aufwachsens in der Mittelschicht des industriellen Kernlands Amerikas mitbrachte, bringt Harris die Sichtweise einer Frau mit, die im Silicon Valley und digitalen Zeitalter in Kalifornien gelebt und gearbeitet hat – und damit eine neue Perspektive in die Präsidentschaft.

Ihre Amtseinführung wird das Ende einer fast ein Jahrzehnt andauernden Ära markieren, in der Donald Trump eine zentrale Figur der US-Politik war. Trump wird zu einer Randnotiz in der Geschichte werden, sein Name wird auf Listen der „schlechtesten Präsidenten“ erscheinen und in Büchern und Artikeln über Korruption erwähnt werden.

Für Politikstudenten wird Trumps Aufstieg mit einer Gegenreaktion gegen die unumkehrbaren demografischen Veränderungen in den USA in Verbindung gebracht werden, die dazu führen werden, dass die Mehrheit der Bevölkerung in wenigen Jahren eher wie Harris aussehen wird als wie Trump. Sie ist die Zukunft. Er ist die Vergangenheit. Und am Wahltag werden die amerikanischen Wähler diesen Wandel annehmen.

Dies alles wird möglich sein, weil Harris bei den Wahlen republikanisch inspirierte Umfragen Lügen strafen und mit einer größeren Mehrheit gewinnen wird, als viele Meinungsforscher erwartet haben. Trump wird sich noch einmal mit großem Geheul aufbäumen und das Wahlergebnis abstreiten. Doch am Ende werden seine Verschwörungstheorien und Anfechtungen der Rechtsprechung erfolglos bleiben, wie schon 2020 und 2021. Warum die Experten, die in den letzten Jahren oft falsch lagen, erneut falsch liegen werden, hat mehrere Gründe.

Erstens hat Harris eine außergewöhnliche Kampagne geführt, makellos umgesetzt von ihrem Team und von ihr. Seit Joe Biden am 21. Juli angekündigt hat, dass er nicht erneut kandidieren werde, hat sie nicht einen wirklichen Fehltritt begangen. Ihre ersten öffentlichen Reden waren voller neuer Energie und Visionen, die in der amerikanischen Politik dringend gebraucht wurden. Der Nominierungsparteitag der Demokraten endete mit einer großartigen Rede von ihr, und sie besiegte Trump gleich im ersten TV-Duell. Die Wahl von Minnesotas populistisch-robustem Gouverneur Tim Walz als Vizekandidaten verlieh ihr die notwendige Bodenhaftung.

Ihr jüngstes „Schlussplädoyer“ am Ellipse in Washington – von wo aus Trump am 6. Januar 2021 seinen Putschversuch startete – war ein perfekt inszenierter und durchgeführter Abschluss einer rasanten Kampagne, in der sie klarstellte, dass sie genau die Präsidentin ist, die Amerika jetzt braucht. Durch diese Bemühungen und die Disziplin, die sie in das Rennen eingebracht hat, hat Harris auch konkrete Ergebnisse erzielt, die ihren Sieg kommende Woche direkt beeinflussen werden. So hat sie deutlich mehr Geld gesammelt als Trump.

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Wie tief kann man sinken? Trumps letzter Appell: keine positive Vision, nur Drohungen und Gewaltfantasien.

Harris hat im Vergleich zu Trump ein überlegenes Ground Game, da ihre Kampagne auf 2.505 Mitarbeitende und 358 Büros in den wichtigen Swing-States setzt, was deutlich umfangreicher ist als Trumps dortige Operationen. Während Harris‘ Team eine gezielte Strategie auf allen Ebenen verfolgt, lagert Trump vieles an Elon Musk aus. Dessen chaotische Crew hat Motivationsprobleme direkt auf Wähler zuzugehen und gilt als leidenschaftslos und überwiegend ineffektiv.

Harris hat eine neue Koalition mobilisiert, die für ihren Sieg verantwortlich sein wird, unterstützt durch eine riesige Wahlbeteiligungskampagne und gezielte Botschaften, die in jeder wichtigen Wählergruppe mit konkreten Ideen auf Resonanz stießen. Sie profitierte auch von der positiven Bilanz der Biden-Harris-Allianz und von überzeugenden, oft provokanten Botschaften. Wie bereits 2022 und bei Wahlen davor und danach, wird das Modell der Meinungsforscher wieder falsch liegen, da es den Widerstand der Frauen gegen die Aufhebung von Roe v. Wade unterschätzt.

Die Wahl des frauenfeindlichen Trolls JD Vance als Trumps Vizekandidat, sein wiederholtes Infragestellen des Rechtes auf Schwangerschaftsabbruch und Trumps suspektes Versprechen, Frauen „ob sie wollen oder nicht“ zu beschützen, verärgern weibliche Wählergruppen aller Generationen. Frauen fühlen sich dadurch bevormundet, und deshalb zeigen die bisher über 30 Millionen abgegebenen Stimmen eine Genderlücke von etwa zehn Prozent. Dieser „Gendergap“ ist eine schlechte Nachricht für Trump, dokumentieren doch Umfragen, dass Harris bei Frauen durchweg viel besser abschneidet als er. Zudem könnten wichtige Gruppen von Wählerinnen übersehen worden sein, darunter sogenannte „Whispering Women“ – Frauen, die in den Modellen nicht auftauchen, weil sie aus Gruppen stammen, die traditionell anders abgestimmt haben, die jedoch im Wahllokal insgeheim für Harris stimmen.

Die Vizepräsidentin hat klugerweise die Gewinnung unentschlossener Wähler aus dem Lager der Republikaner zu einem zentralen Ziel ihrer Kampagne gemacht und die Unterstützung prominenter Republikaner wie Liz Cheney und ihrem Vater sowie hunderter ehemaliger Trump-Mitarbeiter und republikanische Beamte landesweit, gewonnen. Was Modellierer wie Nate Silver schockieren wird: Harris hat gute Chancen eine bisher undenkbare Anzahl republikanischer Mandate zu gewinnen, in einigen Staaten vielleicht 15 bis 20 Prozent der GOP-Stimmen. Auch eine höhere Wahlbeteiligung unter jungen Wählern und People of Color allgemein könnte überraschend sein.

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Harris hat die besseren „Surrogates“, darunter Superstars wie Taylor Swift.

Seit sie ins Rennen eingestiegen ist, hat Harris den Abstand zu Trump, bei dem Joe Biden teilweise hinterherhinkte, geschlossen und liegt in nationalen und in den sieben entscheidenden Staaten entweder gleichauf oder vorne. Umfragen, die im Fernsehen oder Internet erscheinen, sind jedoch durch bis zu 100 Umfragen verzerrt, die von Trump-Unterstützern finanziert wurden. Laut dem demokratischen Strategen Simon Rosenberg, einem der wenigen, der die Wahlen 2022 korrekt vorausgesagt und den Hype um eine „rote Welle“ abgelehnt hat, liegt Harris in unabhängigen Umfragen landesweit im Durchschnitt 2,4 Prozentpunkte vorne.

Frühe Wahlbeteiligung und Registrierungsdaten unterstützen diese These. Berücksichtigt man die Fehler der Umfrageinstitute in der Vergangenheit, die wahrscheinlich tendenziösen Modelle entgegen aktueller Trends, die zu ihren Gunsten sprechen, deuten darauf hin, dass Harris am 5. November gewinnt und das sogar mit deutlichem Vorsprung. Ein weiterer Beweis ist die Tatsache, dass Trump bereits wieder Lügen über „manipulierte Wahlen“ verbreitet. Mit anderen Worten: Auch der Ex-Präsident weiß, dass er verlieren wird.

Die Kampagne von Kamala Harris wird nicht nur von namhaften Republikanern, sondern auch von zahlreichen Celebritys begleitet, die aktiv Unterstützung mobilisieren. Dazu zählen Stars wie Beyoncé, Taylor Swift, Bad Bunny, Jennifer Lopez, Eminem, Ariana Grande, Bruce Springsteen, Julia Roberts, Meryl Streep, Oprah Winfrey und George Clooney. Sie alle nutzen ihre Reichweite, um Harris‘ Botschaften zu verbreiten.

Am Ende ist es oft ein kleiner Auslöser, der alles ins Wanken bringt – ein scheinbar unbedeutendes Detail, das wie der Flügelschlag eines Schmetterlings eine Kettenreaktion in Gang setzt. Eine winzige Veränderung, eine unscheinbare Bewegung, die genau im richtigen Moment stattfindet, kann die Menschen wachrütteln und das gesamte Gefüge erschüttern. Ein letztes Argument, warum ich glaube, dass Harris gewinnen wird, ist der Common Sense. Die Wähler haben Fehler gemacht. Aber es gab nie eine so klare Wahl wie diese – zwischen Freiheit und Zwang, Demokratie und Alleinherrschaft, Licht und Schatten.

Ein weiterer Anlass zur Hoffnung: Laut einer Gold-Standard-Umfrage im erzkonservativen Iowa liegt Harris dort unerwartet mit 3 Prozentpunkten vor Trump. Die Umfrage vom Des Moines Register und Mediacom Iowa erscheint immer kurz vor den Präsidentschaftswahlen und gilt als wichtiger Gradmesser für die Stimmung im Land.

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

 

 

Trump unplugged: Wenn der Teleprompter ausfällt

Trump unplugged: Wenn der Teleprompter ausfällt

Trump unplugged: Wenn der Teleprompter ausfällt

Shark-Edition: Trump und das „Drunken Uncle“-Syndrom

Nur wenige Tage, bevor er als 34-fach verurteilter Straftäter auf seinen Bewährungshelfer traf, ging der führende Präsidentschafts-Kandidat auf eine bizarre Hai-Tirade: Griffen doch diese häufiger an als üblich (nicht wahr!) und stellten aufgrund der Vorschrift, dass Boote Batterien verwenden müssen – auch falsch! – ein neues Risiko dar.

Aufgrund ihres Gewichts würden die Boote schneller sinken. [sic!] – Selbst die schwersten Kreuzfahrtschiffe der Welt bleiben aufgrund der physikalischen Gesetze trotz ihres Gewichts schwimmfähig. Das muss man wissen. Und doch lassen sich solche verbalen Entgleisungen nicht einfach weglachen: Denn Trump ist vielleicht der nächste Präsident der USA. Da lohnt sich eine Durchsicht des Transkripts in all seinem Wahnwitz:

„Ich sage, ‚Was würde passieren, wenn das Boot aufgrund seines Gewichts sinkt und du im Boot bist und du diese enorm leistungsstarke Batterie hast und die Batterie unter Wasser ist, und da ist ein Hai, der ungefähr 10 Meter entfernt ist?‘ Übrigens gab es in letzter Zeit viele Haiangriffe. Haben Sie das bemerkt? Viele Haie … Ich habe heute einige Leute gehört, die es gerechtfertigt haben: ‚Nun, sie waren nicht wirklich wütend. Sie haben der jungen Dame das Bein abgebissen, weil sie nicht hungrig waren, aber sie haben missverstanden, wer sie war.‘ Diese Leute sind verrückt.“ Äh …  ja!

„Also sagte ich: ‚Da ist ein Hai zehn Meter vom Boot entfernt,  oder schon ganz nah. Werde ich einen tödlichen Stromschlag bekommen, wenn das Boot untergeht, Wasser über die Batterie läuft, das Boot untergeht? Bleibe ich oben auf dem Boot, oder springe ich runter zu dem Hai und werde dafür von dem Stromschlag verschont?‘ Er wusste die Antwort nicht. Ich sagte: ‚Ich denke, es ist eine gute Frage. Ich denke, es kommt viel elektrischer Strom durch das Wasser.‘ Aber wisst ihr, was ich tun würde, wenn es einen Hai gäbe? Ich würde jedes Mal den Stromschlag wählen.“

Auch mit „Waschmaschinen zum Geschirrspülen“, so Trump bei einer Wahlkampfrede in Philadelphia, gebe es ein Problem: „Sie wollen nicht, dass ihr Wasser habt.“ Ursprünglich wollte er damit gegen die „linksradikalen“ Demokraten hetzen, schweifte jedoch unvermutet ab. Es geht plötzlich auch um Wasserhähne: „Du drehst sie auf und es tropft und tropft die Seife“, jammert er, dabei sei sein Haar so „wunderschön“. Angefeuert vom Applaus fügt er noch hinzu, er schäume es so gern auf: „Ich mag viel Schaum, weil es dann etwas dicker wirkt“. Da unterbricht selbst Trumps Propaganda-Kanal FOX News.

Nur eine von vielen bekannten Banalitäten der neuen Normalität

Bei Biden wären sogleich Forderungen nach einem Rücktritt lautgeworden. Bei Trump reduziert sich sein ganz alltäglicher Wahnsinn auf Zwischenfälle, kaum mehr erwähnenswert: lächerliche Aussagen, die ignoriert werden, weil sie schon Routine sind. Genau hier wird es gemeingefährlich. Basierend auf Google News erhielt die Nachricht über Bidens Hund, der einen Secret Service-Agenten biss, weit mehr Presseberichterstattung als Trumps Aussage, er ließe Diebe am liebsten ohne Gerichtsverfahren erschießen. Dass er schon mal die Idee ins Spiel bringt, den Vorsitzenden der Joint Chiefs of Staff Milley hinzurichten. Politische Gegner einzusperren. Die fiktive Figur Hannibal Lector als „wunderbaren, aber leider verstorbenen Mann“ bezeichnet. Mit einem zweiten (nicht dritten) Weltkrieg droht. Nikki Haley (53) mit Nancy Pelosi (85)  verwechselt und Obama immer noch an der Macht vermutet. Seit neustem auch die Gründung einer Gladiatorenliga vorschlägt, die nur aus Migranten bestehen soll:

„Und da küren wir dann einen Champion, und der kämpft dann gegen die größten Kämpfer der normalen Liga“, führte Trump aus. „Ich denke, der Migranten-Champion wird gewinnen, denn sie sind so verdammt zäh.“

Doch die Republikaner scheinen von der schieren Überflutung des Verrückten zu profitieren. Denn im Gegensatz zu Trump entstehen bei Biden Fragen zu seiner geistigen Fitness als Präsident, wenn er sich in einem Namen oder einem Datum vertut, anstatt von Haien zu fabulieren. Fazit: Ein Präsident, der gelegentlich einen Fehler macht, ist weitaus weniger besorgniserregend als einer, der sich an illusionäre Fantasien und Verschwörungstheorien beteiligt. Biden lebt in der Realität; die Trump immer öfter entgleitet. Zeit auszusteigen! Genau das forderten kritische Kolumnisten neulich. Erstaunlicherweise beziehen sie sich dabei nicht auf den autoritären Straftäter, der eine gewalttätige Menge dazu angestiftet hatte, das Kapitol anzugreifen. Nein, sie meinen Biden.

Für Trump ist immer Haifischzeit

Die Krux bei Trump, von ihm mit 78 Jahren zu sagen, er sei „einfach Trump“,
ist jedoch, dass solche Ausfälle keine Ausnahme bilden. So versuchte er während einer Rede in Las Vegas zu leugnen, was ihm sein früherer Stabschef, der pensionierte Marine General John F. Kelly, vorgeworfen hatte: dass er 2018 den Besuch eines amerikanischen Militärfriedhofs in Frankreich mit der Begründung abgelehnt habe, dieser sei voller „Loser“. Gegenüber der Menge behauptete Trump dann, dass „nur eine sehr dumme Person“ so etwas sagen würde, während er „dort mit Generälen und Militärangehörigen auf einem Friedhof“ stehe. Aber er hat dort gar nicht gestanden. Er ist nie zum Friedhof gegangen. Außer vielleicht in seinem Kopf … 🦈

US-Präsident Biden und sein wahrscheinlicher Herausforderer Trump haben sich am Freitag, 21 Uhr Ortszeit (3 Uhr MESZ) auf ihr erstes TV-Duell geeinigt. Dabei ist festgelegt worden, dass jeweils nur das Mikrofon des jeweiligen Redners offenbleibt. Das reduziert die bewusstseinserweiternde Chance der Wähler wider die allgemein um sich greifende Trump-„Amnesia“ und auf ein neues „Hai“-light.

Unbehagen bei den Republikanern: Wie toxisch ist Trumps Entourage?

Unbehagen bei den Republikanern: Wie toxisch ist Trumps Entourage?

Unbehagen bei den Republikanern: Wie toxisch ist Trumps Entourage?

Spannungen im MAGA-Lager: Laura Loomer und andere rechte Akteure ängstigen sogar die Republikaner.

Es ist, als hätte die „Addams Family“ einen politischen Ableger gefunden – nur dass diese zwielichtigen Gestalten keiner Gruselkomödie entsprungen sind, sondern den amerikanischen Wahlkampf bevölkern. Donald Trump sammelt mit Vorliebe Figuren aus den düstersten Ecken des rechten Spektrums um sich. Da wäre Laura Loomer, die Morticia der Verschwörungstheorien, während Marjorie Taylor Greene als schrille Cousine „It“ auftritt und manchmal sogar ihre eigene Horror-Clique brüskiert, wenn sie plötzlich moralische Grenzen zieht. Und die Show wäre nicht komplett ohne Steve Bannon, der als eine Art Fester Addams in der politischen Gruft sitzt und den Takt der Spaltung vorgibt, während Stephen Miller wie ein eiskalter Lurch durch die dunklen Flure der Macht schleicht, zur Umsetzung der ultrarechten Agenda „Project 2025“ bereit. Anders als bei der charmant makabren Fernsehfamilie endet das hier allerdings nicht mit einem wohligen Gruselkick, sondern ist angesichts eines engen Präsidentschaftsrennens hochgefährlich.

Donald Trump hat erneut Bedenken ausgelöst, indem er sich mit umstrittenen Figuren aus dem ultrarechten Saum umgibt. So war Laura Loomer, eine rechtsextreme Aktivistin, Holocaust-Leugnerin und QAnon-Verschwörungstheoretikerin, Teil seines Teams vor der Präsidentschafts-Debatte in Philadelphia. Loomer wird verdächtigt, Trump das Gerücht über angeblich von haitianischen Migranten verspeiste Haustiere zugetragen zu haben – ein haltloses und falsches Narrativ, das er daraufhin verbreitet hat.

Im Gegensatz dazu setzt Kamala Harris, die Vizepräsidentin und Gegenkandidatin, auf eine Botschaft der Einheit. Sie versucht, Menschen aller Altersgruppen, Geschlechter und Hautfarben anzusprechen und die Spaltung in der amerikanischen Gesellschaft zu überwinden.

Ihre Fähigkeit, komplexe Themen wie soziale Gerechtigkeit, Gesundheitspolitik und Klimawandel zu adressieren, verleiht ihr Anziehungskraft bei demokratischen und progressiven Wählern gleichermaßen. Dabei konzentriert sie sich weniger darauf, die Basis der Partei zufriedenzustellen, als vielmehr darauf, jene Wähler zu gewinnen, die sich noch unschlüssig sind, wie sie im November wählen sollen – oder ob sie überhaupt wählen.

Am Tag nach dem Trump-Harris-Duell nahm Loomer (wohlgemerkt: als „9/11 Truther“!) an der Gedenkfeier zum 11. September teil, obwohl sie in der Vergangenheit die Verschwörungstheorie verbreitete, dass die Anschläge ein „Inside-Job“ gewesen seien. Diese Vorfälle sind nicht das erste Mal, dass Trump Personen aus den extremen Rändern der rechten Szene in seine Nähe lässt.

Einmal mehr scheint er zu entscheiden, seine enge Basis anzusprechen, statt seine Wählerschaft um moderate Stimmen zu erweitern. Sein Umgang mit Figuren wie Loomer erschwert es zunehmend, das Bild eines „normalen“ und gemäßigten Politikers aufrechtzuerhalten. Besonders bezeichnend: seine Weigerung, sich eindeutig von rechtsextremer Gewalt zu distanzieren.

Als Verbündete von Donald Trump stand Laura Loomer bereits im Zentrum der Kontroversen, nachdem sie kürzlich eine rassistische Verbalattacke gegen Kamala Harris, die Vizepräsidentin der USA, ritt. Loomer, bekannt für ihre polarisierenden Social-Media-Posts, war als Gast eingeladen, Trump zu verschiedenen Veranstaltungen zu begleiten.

Doch ihre jüngsten Äußerungen haben selbst einige seiner loyalsten Unterstützer schockiert. Zwei Tage vor der Debatte in Philadelphia postete Loomer einen rassistischen Kommentar über Harris, deren Mutter indisch-amerikanisch ist. Sie schrieb auf X (ehemals Twitter), dass das Weiße Haus nach Curry riechen würde, falls Harris die Wahl gewinnen sollte.

Diese Bemerkungen wurden sogar von der republikanischen Abgeordneten Marjorie Taylor Greene, ebenfalls eine treue Trump-Anhängerin, scharf verurteilt. Greene schrieb, dass Loomers Aussagen „empörend und extrem rassistisch“ seien und „nicht repräsentieren, wer wir als Republikaner oder MAGA sind“. Wenn selbst Taylor Greene meint, jemand ginge zu weit, handelt es sich wahrscheinlich um eine bodenlose Ungeheuerlichkeit jenseits der inzwischen normal gewordenen Grenzüberschreitung.

Laura Loomer mag eine Randfigur sein, doch Donald Trump und sein Team wissen genau, wer sie ist und wofür sie steht. Bereits im vergangenen Jahr hatte Trump versucht, Loomer in seine Kampagne zu integrieren, doch seine Berater konnten dies verhindern, aufgrund ihrer umstrittenen Vergangenheit. Umso irritierender ist es, dass Loomer nun wieder seinem engsten Umfeld auftaucht – und das zu einem entscheidenden Zeitpunkt im Wahlkampf.

Es ist kein Geheimnis, dass Trump Loomer weiterhin unterstützt und sie immer wieder in seinen inneren Kreis holt. Sie verkörpert genau den Typus von loyaler Gefolgschaft, den der Narzisst in einer möglichen zweiten Amtszeit bevorzugen würde: bedingungslose Anhänger, die seine Anweisungen ohne Widerspruch umsetzen – selbst wenn diese noch so extrem sind.

Dieser Vorfall verdeutlicht die Spannungen innerhalb der MAGA-Bewegung, während Trump versucht, seine Führungsposition im Präsidentschaftsrennen wiederzuerlangen. Loomer, die in den vergangenen Jahren durch sexistische, homophobe und antimuslimische Aussagen auffiel, war bereits zuvor wegen ihrer Positionen in die Kritik geraten. Trotz dieser Kontroversen hat Trump seine Unterstützung für Loomer nie völlig aufgegeben.

Offiziell arbeitet Loomer nicht für Trumps Kampagne, wird aber oft als informelle Beraterin betrachtet. Sie war in letzter Zeit mehrfach bei Veranstaltungen mit ihm zu sehen, darunter auf seinem Privatflug zu Gedenkveranstaltungen zum 11. September. Loomer postete während dieser Reisen Fotos und Videos von Trump am Ground Zero und in Pennsylvania, wo sie ihn mit Familien der Opfer und Ersthelfern zeigte.

Trumps Entscheidung, Loomer trotz ihres extremen Rufs in seiner Nähe zu behalten, stößt auf zunehmende Kritik, selbst von engen Verbündeten wie Senator Lindsey Graham. Dieser äußerte öffentlich Bedenken, dass Loomers toxische Behauptungen nicht hilfreich für Trumps Wahlkampf seien. Während die Republikaner sich auf die heiße Phase des Präsidentschaftsrennens vorbereiten, zeigt Trumps Kooperation mit Loomer und anderen rechtsextremen Social-Media-Influencern, dass er offenbar bereit ist, die Unterstützung der extremen Rechten zu priorisieren, anstatt sich um gemäßigte Wähler zu bemühen. Loomer, die auf Social Media fast 1,3 Millionen Follower hat, bleibt ein Symbol für diese Strategie.

Unbehagen bei den Republikanern: Wie toxisch ist Trumps Entourage?

Absurd: Trump als „Robin Hood“ der Haustiere. Auf seinen Rallyes ist der Populist selbstredend eher mit dem fiktiven Kannibalen Hannibal Lector identifiziert.

Update: In Springfield kam es inzwischen zu Schulschließungen, infolge des üblen Gerüchts, das von Trumps Vize-Präsidentschafts-Kandidaten J.D. Vance weiter angeheizt wurde, wonach haitianische Immigranten Haustiere essen würden. Davon aufgestachelt marschierten die Proud Boys – eine rechtsextreme Miliz – durch die Stadt, was die Angst weiter anfachte. Die toxische Rhetorik der Trump-Loyalisten, die fremdenfeindliche und rassistische Narrative verbreiten, spielt weiterhin eine zentrale Rolle bei der Eskalation der Situation. Wie örtliche Medien berichten, gab bereits mehrere Bombendrohungen.

Ein Fest für kulturelle Diversität wurde von Behörden abgesagt, auch das Rathaus und die Landeskraftfahrtämtern seien von Evakuierungen betroffen. Durch die Verbreitung solcher Lügen und Hetze wurden nicht nur Hass und Misstrauen gegen Immigranten geschürt, sondern auch Neonazis ermutigt, die Stadt weiter zu destabilisieren. Besonders haitianische Familien standen unter immensem Druck und geraten in eine zunehmend unsichere Lage.