Frontalkurs in den USA: Newsom »trollt« Trump

Frontalkurs in den USA: Newsom »trollt« Trump

Frontalkurs in den USA: Newsom »trollt« Trump

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom steckt mitten in einem Sturm, der selbst für die chaotischen Verhältnisse der amerikanischen Politik außergewöhnlich ist: ICE-Razzien auf Parkplätzen von Baumärkten, Proteste von Boyle Heights bis Downtown, Bundesbeamte in den Straßen – und ein Präsident, der Nationalgarde und Marines nach Los Angeles schickt, gegen den erklärten Willen des Staatsoberhaupts.

Als ob das nicht reichte, wird der demokratische Senator Alex Padilla bei einer DHS-Pressekonferenz zu Boden gedrückt und in Handschellen gelegt. Währenddessen sitzt Gavin Newsom in Sacramento – kein Gouverneur mehr im Routinebetrieb, sondern ein Mann, der über Notfallpläne für seine eigene Festnahme nachdenkt. „Meine erste Reaktion war, es abzutun“, erzählt er. „Doch dann wurde klar: Das ist nicht witzig. Ich kenne Trump – und traue ihm das zu.“

Ein Schauplatz, wie geschaffen für die nationale Bühne

Newsom, lange als aalglatt und taktisch übervorsichtig verschrien, findet sich plötzlich in einer Rolle wieder, die ihn zwangsläufig nationalisiert: als Gegenspieler eines Präsidenten, der jeden Tag die institutionellen Leitplanken verschiebt. Seine bisherigen Versuche, allen Seiten zu gefallen – Podcasts mit Steve Bannon hier, rhetorische Balanceakte dort – verblassen vor der Wucht eines Showdowns, der ihn zwingt, Farbe zu bekennen. Newsom kennt das Spiel mit Tabubrüchen.

2004, als Bürgermeister von San Francisco, ließ er homosexuelle Paare heiraten, lange bevor die Rechtsprechung ihm Recht gab. Doch diesmal, sagt er, sei es anders: „Das ist nicht Politik. Das ist der Moment, in dem ich meinen Kindern in die Augen schauen muss.“ Seine Sprache ist rauer geworden, fast befreit. „Am Sonntag bin ich aufgewacht als ein anderer Mensch“, sagt er. „Wenn man mit der ganzen Macht des Bundes konfrontiert wird, wird manches sehr klar.“

Demokratie am Kipppunkt: Schleichende Eskalation

Das Land, sagt Newsom, befinde sich in einem »langsamen Aufkochen« – ein slow boil, bei dem die Temperatur stetig steigt, ohne dass jemand den Moment erkennt, in dem es zu kochen beginnt. Diese schleichende Eskalation treibe die Vereinigten Staaten nun gefährlich an den Rand. Der angekündigte Militärumzug in Washington – offiziell zum 250. Geburtstag der Armee und zum 79. des Präsidenten – sei ein Menetekel. „Man kann das hier sehr schnell verlieren“, warnt er. „Wir sind schon auf der anderen Seite.“

Dass ausgerechnet er nun mit Memes und Troll-Posts auf Trump reagiert – in Versalien, mit Ausrufezeichen, mit satirischen Fotomontagen – zeigt, dass Newsom verstanden hat: Das politische Spiel hat längst seine alten Formen verloren. In typischer Trump-Manier polterte Newsom jüngst auf X – überzogen und doch zielsicher:

»ALMOST A WEEK IN AND THEY STILL DON’T GET IT!!! TOTAL DISASTER FOR TRUMP AND HIS CLOWN CREW!!! TO THE EXTENT IT’S GOTTEN SOME ATTENTION, I’M PLEASED…VERY PLEASED. GCN«

Eine Parodie, die sitzt – weil sie Trumps Sound so exakt kopiert. Der Gouverneur zeigt damit, dass er die Regeln längst verinnerlicht hat: Wer Trump entgegentreten will, muss ihn auf der Bühne schlagen, die er selbst geschaffen hat.

Gavin Newsom, oft verspottet als taktierender Schönling, ist in den letzten Tagen in eine Rolle hineingewachsen, die ihm niemand zugetraut hätte: die des Demokraten, der Trump frontal die Stirn bietet. Ob aus Kalkül oder aus Notwehr – es ist der Moment, in dem er aufgehört hat, zu viel nachzudenken. Und vielleicht der Beginn seiner eigentlichen politischen Karriere.

Quellenhinweise
• The New York Times: „Trump Deploys National Guard Against California Governor’s Wishes“
• The Guardian: „California’s Newsom Faces Unprecedented Federal Clampdown Amid Protests“
• The Daily Beast: „Tarred, Feathered, or Arrested? Trump Allies Threaten California’s Governor“
• Politico: „Padilla Handcuffed as DHS Chaos Unfolds in Los Angeles“
• The Atlantic: „The Moment Gavin Newsom Stopped Overthinking“
• Associated Press: „Protests Intensify After Federal Agents Clash With California Officials“

Fahrt ins Inferno? Frieden als Pose

Fahrt ins Inferno? Frieden als Pose

Fahrt ins Inferno? Frieden als Pose

Trump und Putin: Dating-Show in der Dämmerung

Wladimir Putin wurde bei seinem letzten Staatsbesuch eine Ehre zuteil, die sonst nur engsten Verbündeten vorbehalten ist: Er nahm Platz  in der amerikanischen Präsidentenlimousine »The Beast«, während Trump ihm die Tür wie ein Chauffeur aufhielt. Für den Ex-KGB-Mann geriet die Fahrt zur Machtdemonstration – ein Moment, der zwischen Groteske und Kaltsatire oszillierte.

Das Treffen endete schneller, als es angekündigt worden war – ein Umstand, der kaum überraschte, wenn man Trumps notorisch kurze Aufmerksamkeitsspanne kennt. Als beide schließlich vor die Kameras traten, war es nicht der amerikanische Präsident, sondern Putin, der das Wort ergriff. Schon dieser Bruch mit diplomatischen Gepflogenheiten zeigte, wer hier den Takt bestimmte. Trumps Beitrag beschränkte sich auf die Binsenweisheit: »Es gibt keinen Deal, bis es einen Deal gibt.« Eine Formel ohne Gehalt, die mehr der Inszenierung als der Substanz diente.

Trump und Putin: Symbolik statt Staatspolitik

In Wahrheit hatte Trump Putin eine Bühne eröffnet, die ihm die G7 verweigert. Das Machtgefüge war unübersehbar: Putin bestimmte den Rahmen, Trump folgte – weniger als Verhandlungs-Partner, mehr als Bewunderer. Von einem »Deal« konnte keine Rede sein; selbst der Versuch, Gegenleistungen zu erzwingen, blieb aus. Statt die Verteidigung des Westens zu bekräftigen, klang Trumps Haltung nach einer schleichenden Aushöhlung der NATO und einer zunehmenden Distanz zu Europa. Wer genauer hinsah, erkannte, dass Trump nicht die Wertegemeinschaft des Westens repräsentierte, sondern sich auffallend eng an Putins Weltbild anlehnte.

Es war ein Schauspiel voller Widersprüche, das im Gestus einer Dating-Show daherkam: Trump applaudierte Putin, nannte ihn »tough but fair« und ließ den russischen Präsidenten durch Alaska chauffieren – als sei er ein Staatsgast von Ehre, nicht ein Kriegsverbrecher. Solche Gesten prägen den Rhythmus einer Diplomatie, die weniger von Prinzipien als von Inszenierung lebt. Vor diesem Hintergrund erscheint der Empfang von Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus wie ein Kontrapunkt: ein Kapitel, in dem Ernst die Pose verdrängt.

Vom Außenseiter zum Staatsmann: Selenskyj setzt Signale

Update 18./19. August 2025: Im Oval Office traf Wolodymyr Selenskyj erneut mit Donald Trump zusammen – diesmal gemeinsam mit mehreren europäischen Staats- und Regierungschefs. Trump stellte in Aussicht, Sicherheitsgarantien im Rahmen eines möglichen Friedensdeals zu unterstützen, auch wenn Details erst in den kommenden Tagen ausgearbeitet werden sollen.

Gleichzeitig schloss er den Einsatz von Bodentruppen aus, ließ jedoch mögliche Luftunterstützung offen. Diskutiert wurde zudem ein potenzielles Gipfeltreffen mit Putin, möglicherweise in Budapest. Für Selenskyj war dieser Auftritt ein weiterer Beleg seiner Verwandlung: einst als Quereinsteiger belächelt, agiert er heute als staatsmännische Figur, die Verlässlichkeit signalisiert, während der Krieg täglich neue Unsicherheit erzeugt.

Trump hingegen sucht die Dramaturgie. Frieden wird bei ihm zur schnellen Schlagzeile, einem Deal, der Geschichte schreiben soll. Doch während er die Bühne arrangiert, eskaliert Russland weiter: Bomben fallen, Städte brennen, Menschen sterben – das Drehbuch bleibt Fiktion. Entsprechend misstrauen die europäischen Partner seinen schnellen Versprechen und pochen unisono auf Prinzipien: Frieden darf nicht erkauft werden durch Landabtretungen. Diese Haltung ist auch ein Signal an Washington, wo die Sorge wächst, Trump könne Putin zu weit entgegenkommen – im Namen eines spektakulären, aber substanzlosen Friedens.

Putins „Friedenshebel“ heißt Eskalation

Moskau erhöht den Druck. Donetsk ist zum Symbol geworden: Russland kontrolliert große Teile der Region – und fordert alles. Ob eine vollständige Eroberung oder ein verlustreicher Stellungskrieg bevorsteht, bleibt offen. Sicher ist nur: Mit jeder Rakete, jedem Drohnenangriff steigt der Preis, den die Ukraine für ihre territoriale Integrität zahlen muss. Selenskyj versucht, Haltung und Flexibilität zu balancieren. Er signalisiert Gesprächsbereitschaft, ohne die roten Linien aufzugeben. Sein Auftritt in Washington war mehr als diplomatische Routine: ein klares Signal – Frieden ja, Kapitulation nein. Genau hier zeigt sich sein Ernst als Kontrast zu Trumps Theatralik. Frieden bleibt mehr ein schillerndes Versprechen als greifbare Option. Denn solange Gewalt belohnt und Prinzipien verhandelbar erscheinen, bleibt jede Pose leer.

Quellen:
AP News, “Zelenskyy deploys gratitude diplomacy in second White House meeting”, 18 August 2025
Reuters, “Takeaways: White House welcome for Ukraine leaves many questions”, 18 August 2025
Financial Times, “A letter and a suit: Zelenskyy charms Trump in the Oval Office”, 18 August 2025
The Daily Beast, “Zelensky Turns Up in a ‘Suit’ Amid MAGA Meltdown”, 18 August 2025
Reuters, “US would help assure Ukraine’s security, Trump tells Zelenskiy”, 19 August 2025
Reuters, “Focus on security guarantees as Ukraine summit leaves path to peace unclear”, 19.8.25
Reuters, “Trump says no ground troops, but maybe air support, to back Ukraine peace deal”
Reuters, “Trump says Putin may not want to make a deal on Ukraine”, 19 August 2025
The Guardian, “White House considering Budapest for Putin-Zelenskyy bilateral, report suggests“

Fahrt ins Inferno? Frieden als Pose

Dialog im Dämmerlicht: Trumps Schattendiplomatie

Momentum für die Demokraten

Momentum für die Demokraten

Momentum für die Demokraten

Präsident Joe Biden zieht seine Kandidatur zurück und teilt mit, dass er Kamala Harris als seine Nachfolgerin empfiehlt.

Chance oder Chaos: Kann Kamala Harris Trump schlagen?

Sie will es sich verdienen: genügend Delegiertenunterstützung, um die Kandidatin der Demokraten zu werden. Die Zustimmung der kalifornischen Delegation bringt sie spätestens dann über die erforderliche Schwelle, wenn die Partei sich beim Kongress in Chicago trifft. Joe Biden hat sie bereits offiziell als seine Nachfolgerin vorgeschlagen: „’I´m watching you, Kid!“– scherzt er, als er sich aus der Corona-Isolation zurückmeldet. Nun, da sein Rücktritt ausgemacht ist und er unerwartet den Widerstand gegen lauter werdende Bedenkenträger aufgibt, was ein Gamechanger für den US-Wahlkampf ist …

Harris war auf dem Weg in den umkämpften Bundesstaat Wisconsin am Dienstag, als ihre Kampagne für das Weiße Haus so richtig in Schwung kam. In einer schon jetzt historischen Rede vor Wahlkampfmitarbeitern in Wilmington, Delaware machte sie klar, was sie plant und erwies sich dabei als starker Kommunikator:

„Bevor ich zur Vizepräsidentin und Senatorin gewählt wurde, war ich Justizministerin, und davor Staatsanwältin in einem kalifornischen Gericht. In diesen Ämtern hatte ich es mit Tätern aller Art zu tun: Triebtäter, die Frauen missbrauchen, Betrüger, die Konsumenten abzocken und Schwindler, die gegen Regeln verstoßen, um sich selbst Vorteile zu verschaffen. Glaubt mir: Ich kenne solche Typen wie Donald Trump.“

Für Wähler eine effektvolle Gedankenstütze, dass ihr politischer Rivale ein verurteilter Straftäter ist, für schuldig befunden in einem Zivilprozess des sexuellen Übergriffes sowie einer Phalanx weiterer Delikte: von Vergewaltigungsvorwürfen über Wahlbeeinflussung, Geschäftsbetrug, Steuerhinterziehung bis hin zu Dokumenten-Diebstahl mit dem Potenzial zum Hochverrat sowie einer Zivilklage wegen Anstiftung zum Sturm aufs Kapitol am 6. Januar.

Donald Trump wolle das Land zurückwerfen, in eine Zeit der Unterdrückung und Ungleichheit. Sie aber glaube an eine gerechte  Zukunft, in der jeder Bürger die Chance hätte, nicht nur so eben über die Runden zu kommen, sondern sozial aufzusteigen:

„Es gibt Menschen, die meinen, wir sollten ein Land des Chaos, der Angst und des Hasses sein, aber wir wählen etwas anderes. Wir wählen die Freiheit“, so die 59-Jährige. Es gehe um die Freiheit von Menschen, über ihren eigenen Körper entscheiden zu können, und die Freiheit, in Sicherheit vor Waffengewalt zu leben: „Wir entscheiden uns für eine Zukunft, in der kein Kind in Armut lebt, sich alle eine Gesundheitsversorgung leisten können und in der niemand über dem Gesetz steht.“

Sie macht sich auch eindrucksvoll als Verteidigerin von Abtreibungsrechten stark – unter Bezugnahme auf das berüchtigte „Project 2025“ ein erzkonservatives Manifest der Heritage Foundation und Steilvorlage für die autokratische Agenda der Republikaner, ein dystopisch anmutendes Vorhaben, erinnernd an Margret Atwoods „Report der Magd“. Die Botschaft zündet, als sie wirkungsvoll skandiert: „We are not going back.“

Es gäbe kein Zurück: in eine Zeit wirtschaftlicher Ungerechtigkeit und in eine dunkle, anachronistische Weltsicht, beherrscht von Angst, Hass und Isolationismus. Die Menge jubelt ihr zu und echot das neue Meme energetisch. Passender Weise ist der neue Wahlwerbespot der Demokraten mit dem Song „Freedom“ von US-Superstar Beyoncé unterlegt.

Einen Tag zuvor hatte der Gouverneur von Kentucky, Andy Beshear, der als einer der Top-Kandidaten für Harris‘ Vizepräsidentschaftsauswahl gilt, das filmreife Narrativ – Cop versus 78-jährigen Kriminellen – während eines Interviews bereits aufgegriffen. Beshear bezog sich auf J. D. Vance, den Trump als seinen Running Mate wählte:

Noch vor nicht allzu langer Zeit habe Vance Trump als „Amerikas Hitler“ bezeichnet. Beshear spielte dann mit dem Doppelsinn von Conviction (das Wort steht im Englischen für Überzeugung und Verurteilung zugleich):  J.D. Vance habe keine Conviction, sein Mitstreiter dafür 34.

Die Harris-Kampagne nahm diesen Clip und postete ihn auf ihrem Account, @KamalaHQ, der seit Sonntag die Anzahl seiner Follower verdoppelt hat. Die britische Popsängerin Charli XCX setzte parallel einen Tweet ab, der das Internet erst recht auf den Kopf stellte. „Kamala IS brat“, postet sie und meint: „frech“ im positiven Sinne.

Inzwischen wird Kamala Harris von einflussreichen Meinungsführern unterstützt, so dass ihre Nominierung auf dem demokratischen Parteitag im August so gut wie gesichert ist. Unter ihnen sind große Namen wie die demokratische „Grand Dame“ Nancy Pelosi, die Clintons sowie zahlreiche Gouverneure wie Wes Moore von Maryland, JB Pritzker, Illinois, die damit ausscheiden als potenzielle Rivalen. Heute folgte das offizielle Endorsement von Michelle und Barack Obama.

Mit Spannung erwartet wurde auch die erste Umfrage seit dem Rückzug Bidens. Nun gibt es vorläufige Zahlen nach dessen Ankündigung  vom Sonntag. Laut Reuters/Ipsos verzeichnet Kamala Harris einen knappen Vorsprung gegenüber Trump und kommt dabei auf 44 Prozent, Trump nur auf 42 Prozent. Die Erhebung ist nur eine Momentaufnahme, das Geschehen derzeit hochdynamisch: Alle Werte liegen innerhalb der Fehlermarge.

In den bevorstehenden Wochen und Monaten – nur noch 64 Tagen bis zu den ersten Briefwahlen – wird Kamala Harris alles in ihrer Macht liegende tun, um ihre entzweite Partei zu vereinen. Sie startet mit starkem Rückenwind aus den Reihen der Demokraten und rekordverdächtigen Spendeneinnahmen in das Rennen um die US-Präsidentschaft.

Und eine weitere Entscheidung steht an: die Wahl des Vizepräsidenten. Mögliche Kandidaten: die Gouverneure Andy Beshear aus Kentucky, Mark Kelly aus Arizona, Roy Cooper aus North Carolina, Tim Walz aus Minnesota, Josh Shapiro aus Pennsylvania  und der US-Verkehrsminister Pete Buttigieg, der enge Verbindungen in alle umkämpften Wahldistrikte pflegt. Wiederholt im Gespräch: Gretchen Whitmer aus Michigan. Auch wenn es manchen gewagt erscheint: Die Zeit ist reif – für eine weibliche Doppelspitze.

 

Das Attentat: Amerika unter Schock

Das Attentat: Amerika unter Schock

Das Attentat: Amerika unter Schock

Eskalation der Gewalt in Amerika: Neustart für den US-Wahlkampf?

Es war ein glühend heißer Nachmittag in Pennsylvania, heiß genug, um die Sanitäter auf Trab zu halten, während die Menschen in der sengenden Sonne dahinschmolzen. Doch die Hitze hatte die Begeisterung von Zehntausenden auf dem Gelände der Butler Farm Show kaum gedämpft, die auf Donald J. Trump warteten. Als er schließlich auftauchte, reagierte die Menge wie gewohnt: Sie buhten, als er Präsident Biden erwähnte, höhnten, als er von einer manipulierten Wahl sprach, und jubelten, als er sagte, er würde Amerika wieder großartig machen. Dann ertönte ein neues Geräusch. Ein Feuerwerkskörper vielleicht?

So schien es, bis sich Donald  Trump sich ans Ohr griff. Nun war klar: Es handelte sich um Schüsse. Ein Tag voller zorniger Emotionen wurde plötzlich von Angst zerrissen. Rund um die Tribüne, auf der der Ex-Präsident gesprochen hatte, unter einer riesigen amerikanischen Flagge, die zwischen zwei Kränen hing, duckten sich die Zuschauer. Geheimdienstmitarbeiter stürmten auf ihn zu. Tausende von Menschen, von denen auf den Tribünen bis zu denen, die auf einer großen Rasenfläche zusahen, ließen sich fast gleichzeitig zu Boden fallen.

Kurz bevor die Schüsse fielen, sagten einige in der Menge, es schien, als hätten Polizeischützen, die auf einer Scheune saßen, eine Bewegung in der Nähe bemerkt. Die Schützen schienen sich auf etwas neben der Tribüne in Richtung eines Gebäudes und eines Wasserturms direkt außerhalb des Geländes der Farm Show zu konzentrieren.

Sobald die Schießerei ausbrach, erwiderten die Schützen das Feuer. Manche Rally-Besucher beteten das Vaterunser. Einige begannen zu weinen, andere schrien, während die Polizisten riefen, alle sollten sich hinlegen. Einer der Lautsprecher, offenbar von einer Kugel getroffen, kippte um. Als das Knallen ein paar Sekunden später aufhörte und die Köpfe sich wieder erhoben, offenbarte sich das düstere Nachspiel.

Laut dem Secret Service wurden eine Person, die an der Kundgebung teilgenommen hatte, sowie der Verdächtige getötet und zwei Zuschauer schwer verletzt. Das FBI identifizierte den Verdächtigen als Thomas Matthew Crooks, 20, aus Bethel Park, Pa. Der ideologische Hintergrund ist unbekannt, aber es handelte es sich um einen registrierten Republikaner. Die Behörden fanden am Tatort ein halbautomatisches Gewehr vom Typ AR-15, berichteten zwei Strafverfolgungsbeamte.

Trump kam wieder auf die Beine. Er hatte ein wenig Blut auf der Stirn, schien aber nicht schwer verletzt zu sein. Als er von der Bühne begleitet wurde, reckte er noch seine Faust in die Luft, während eine große Menge um ihn herum ihm erneut zujubelte. Sie rief „USA! USA!“, obwohl die Rufe nicht ganz so kräftig waren wie noch vor ein paar Minuten. Dann verschwand Donald Trump in Geleit von  Strafverfolgungsbeamten in einem SUV.

Andere Beamte forderten dann alle auf zu gehen, und so machte sich die Menge, die stundenlang in der Hitze geschwitzt hatte, in einem Nebel von Schock und Desorientierung auf den Weg zu den Ausgängen. Später würde Trump auf Truth Social sagen, er sei von einer Kugel getroffen worden, die den oberen Teil seines rechten Ohrs durchbohrte. Die Zuschauer kehrten zu ihren Trucks und Autos zurück, tauschten sich darüber aus, was sie gesehen und gehört hatten, verbreiteten bedrohliche Gerüchte oder räumten ein, dass sie in dem Chaos nicht viel gesehen hatten.

Fast eine Stunde nach der Schießerei, nachdem das Gelände geräumt war und der Verkehr auf dem Weg aus der Stadt nachgelassen hatte, war die Welt immer noch erschüttert. Politiker und politische Gegner aller Parteien verliehen ihrer Empörung und Besorgnis Ausdruck. Biden kündigte ein versöhnliches Telefonat mit Trump an: Jeder, einfach jeder, müsse den brutalen Anschlag verurteilen. Geheimdienstmitarbeiter bestätigten, der Ex-Präsident sei in Sicherheit. Wird die Welt zusammenrücken oder dreht sich die Spirale der Gewalt weiter und falls ja, wird die amerikanische Demokratie letztlich daran scheitern? Das wird sich zeigen.

 

 

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

Paralleluniversum: Die Republikaner schließen die Reihen um ihren neuen Guru.

US-Radar: Was ist, wenn beide Seiten Unrecht haben, was die Auswirkungen der Debatte betrifft?

Die Reaktion der Demokraten auf die Debatte am Donnerstag war, als würde man die Phasen des Kübler-Ross-Modells der Trauer in raschem Tempo ablaufen sehen. Es gab Verleugnung („Er hat eine Erkältung“), Wut („Wie konnten die CNN-Moderatoren das nur ohne Intervention zulassen?!“), Verhandeln („Okay, wir können ihn ersetzen“), Depression („Die Wahl ist ungewinnbar“) und schließlich Akzeptanz („Wir stehen zu unserem Kandidaten!“). Die Republikaner hingegen schwelgten in Euphorie: Nichts weniger als ein Erdrutschsieg à la Carter-Reagan stände jetzt an.  

Fakt ist: Der schwache Auftritt von US-Präsident Joe Biden in der TV-Debatte mit Donald Trump hat die Spekulationen über einen möglichen Austausch des demokratischen Kandidaten angeheizt. Unlängst schaltete sich auch der renommierte Wahlvorhersager Allan Lichtman ein. In einem Interview mit dem Sender CNN warnte der US-Historiker die Demokratische Partei davor, Biden zu ersetzen: „Eben jene selbst berufenen Experten, die uns 2016 in die Irre geführt haben, geben den Demokraten nun einen fatalen Rat. Für mich beweist diese Stimmungslage, was ich seit Jahren sage: Die Republikaner haben keine Prinzipien und die Demokraten kein Rückgrat.“ Die öffentliche Meinung hielte derweil an einem „eklatanten Lügner“ fest, der in jeder Minute alle 20 Sekunden dieser Debatte gelogen habe.

Das alles ist nur eine Momentaufnahme, ich schreibe deshalb diese Kolumne mit einer gewissen Vorsicht. Eine Flut von Umfragen könnte jederzeit herauskommen und den Eindruck erwecken, dass Trump einen massiven Vorsprung hat. Ein führender Meinungsforscher der Biden-Kampagne hat am Montag neue interne Umfrageergebnisse in Umlauf gebracht. Sie zeigen, dass Bidens Leistung während des  TV-Duells die Umfragen kaum negativ beeinflusst hat. Was, wenn am Ende „nichts“ ist? Spulen wir sechs Wochen zurück:

Donald Trump war in einem Gerichtssaal in Manhattan, angeklagt wegen der Fälschung von Geschäftsdokumenten, um eine Affäre mit einem Pornostar zu verbergen. Der Konsens aller Analysten war folgender: Für jede andere Kandidatur wäre dies der Todesstoß. Aber bei Trump ist das alles schon eingepreist. Jeder weiß, dass er ethisch herausgefordert ist. Jeder weiß, dass er dumme Dinge sagt und tut. Es kümmert keinen wirklich.

Ihre Analyse war im Grunde korrekt. Es gab einige Hinweise darauf, dass Bidens Umfragewerte gesunken waren, aber insgesamt änderte sich wenig im Rennen. Was, wenn die meisten Menschen bereits wissen, dass Biden ziemlich fragil ist? Sie haben die teils manipulierten, teils echten Videos gesehen, in denen er vor sich hin murmelt, auf der Bühne stecken bleibt, einfriert oder scheinbar umherirrt. Was, wenn auch das längst eingepreist ist? Weder die Erinnerung an den 6. Januar hat die Dynamik der Kampagne stark verändert, noch wird der nun deutliche Nachweis, dass Präsident Biden ziemlich alt ist, eine bereits verfestigte Wahrnehmung beeinflussen.

Die begrenzten Umfragen, die existieren, abgesehen von parteiischen Meinungsforschern, scheinen diese Einschätzung zu bestätigen. So zeigte Morning Consult am Freitag nach der Debatte Biden sogar mit einem Punkt Vorsprung. In der kürzlich veröffentlichten Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters und des Meinungsforschungsinstituts Ipsos gaben gut 39 Prozent der Befragten an, im November für Biden zu stimmen. Ex-Präsident Trump landete bei 38 Prozent. Data for Progress sieht Trump mit drei Punkten Vorsprung. Ihre letzte Umfrage im März zeigte Biden mit einem Punkt Vorsprung. Survey USA zeigte Trump mit zwei Punkten Vorsprung; ihre vorherige Umfrage zeigte ein Unentschieden. In Michigan zeigte EPIC-MRA Trump mit vier Punkten Vorsprung, ebenso ihre vorangegangene Februar-Umfrage.

Und die Lücke zwischen den beiden wird wieder kleiner. In einer Umfrage von Bloomberg News, die in der ersten Juliwoche durchgeführt wurde, sprachen sich 47 Prozent der Befragten für Trump und 45 Prozent für Biden aus. Die Ergebnisse beziehen sich auf die Durchschnittswerte der wahlentscheidenden „Swing States“ Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, North Carolina, Pennsylvania und Wisconsin. Dies ist konsistent mit einem bescheidenen Anstieg für Trump. Noch einmal, es gibt hier nicht viele Daten, aber es scheint nicht, als würde das Rennen Biden entgleiten. Das neue Urteil des Obersten Gerichtshofs zur Immunität des Präsidenten wird wahrscheinlich die demokratischen Anhänger für die Unterschiede zu Trump sensibilisieren und dazu beitragen, Abwanderungen oder die Drohung, zu Hause zu bleiben, zu verhindern. Vielleicht zeigt die nächste Reihe von Umfragen etwas anderes.

Würden die internen Umfragen der Demokraten einen Zusammenbruch zeigen, ständen die Parteifunktionäre nicht mehr so entschlossen hinter Biden. Das ist zumindest meine Meinung. Wo das Debatten-Debakel dennoch Auswirkungen hat: Für ihn ist es eine verpasste Gelegenheit. Er wollte doch die Dynamik des Rennens neu entscheiden. Insofern ist es schon ein Rückschlag, zumindest in gewissem Maße. Denn eine weitere Chance zu verspielen kann er sich nicht leisten.

Update: Diese Woche wurde Biden von ABCs George Stephanopoulos auf dem Wahlkampfweg interviewt. Das hochkarätige Format war das erste im Fernsehen ausgestrahlte Interview, an dem der Präsident seit seinem schlechten Abschneiden teilnahm. Die Asymmetrie der Erwartungen hält bis heute an. Liest man das Transkript, sind es nicht seine Worte an sich. Joe Biden gelingt es viel mehr nicht, plötzlich zwanzig Jahre jünger zu erscheinen. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen dem kollektiven Präsidenten-Ideal und einem fragilen alten Mann.

Ein CBS/Yougove-Schnappschuss zeigt laut Steve Kornacki, dass allein 45 % der Demokraten glauben, Biden sollte aus dem Rennen aussteigen. Nach einer Umfrage in New Hampshire führt Trump mit 2 Punkten, früher war lag Biden weit vorn. Die Krux: Kamala Harris schneidet nicht besser ab. Das gilt auch für den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom, Gretchen Whitmer aus Michigan und andere potenzielle Nachfolger: sicherlich ein Warnsignal, denkt man an einen Ersatz. Um das „Conundrum“ aufzulösen, sollten die Demokraten beizeiten ein Kaninchen aus dem Hut zaubern und kreativ bleiben. Denn heute berichten informierte Kreise, Biden könnte noch vor dem Nominierungs-Parteitag ausscheiden.

Veröffentlicht am: 02.07.2024 Zuletzt aktualisiert: 04.07.2024, 00:25 Uhr MEZ

Verzerrte Realitäten: Was ist Wirklichkeit, was Wahrnehmung?

„Top Auswahl, Lady Liberty: War da nicht noch der Kennedy-Neffe mit dem Hirn-Parasiten?“ © Felix Amadeus Flick

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Wendepunkt in der amerikanischen Geschichte: Schon bald ist Trump nur noch eine Randnotiz.

Wie ist es möglich, dass ein Kandidat wie Trump trotz all seiner bekannten Verfehlungen mit Kamala Harris Kopf an Kopf liegt? Vom Versuch, die letzte Wahl zu kippen, über zwei Amtsenthebungen, vier Anklagen und 86 Strafanzeigen bis hin zu Verurteilungen wegen sexueller Übergriffe, Rassismus und Frauenfeindlichkeit sowie der Ansage, das Militär auf politische Gegner zu hetzen – dennoch besteht eine 50-prozentige Chance, dass er erneut Präsident wird. Ein Grund dafür ist jene stabile und wachsende Bewegung, die Trump nicht trotz, sondern wegen dieser Vergehen unterstützt. Zeit für etwas Zuversicht!

Auch wenn die Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit fatalem Ausgang vorhersagen: Kamala Harris wird die nächste Präsidentin der Vereinigten Staaten. Am 20. Januar 2025 wird sie Amerikas erste Präsidentin, die erste Frau als Oberbefehlshaberin und die erste Person asiatischer Herkunft im höchsten Staatsamt sein. Während Joe Biden die Perspektive eines Aufwachsens in der Mittelschicht des industriellen Kernlands Amerikas mitbrachte, bringt Harris die Sichtweise einer Frau mit, die im Silicon Valley und digitalen Zeitalter in Kalifornien gelebt und gearbeitet hat – und damit eine neue Perspektive in die Präsidentschaft.

Ihre Amtseinführung wird das Ende einer fast ein Jahrzehnt andauernden Ära markieren, in der Donald Trump eine zentrale Figur der US-Politik war. Trump wird zu einer Randnotiz in der Geschichte werden, sein Name wird auf Listen der „schlechtesten Präsidenten“ erscheinen und in Büchern und Artikeln über Korruption erwähnt werden.

Für Politikstudenten wird Trumps Aufstieg mit einer Gegenreaktion gegen die unumkehrbaren demografischen Veränderungen in den USA in Verbindung gebracht werden, die dazu führen werden, dass die Mehrheit der Bevölkerung in wenigen Jahren eher wie Harris aussehen wird als wie Trump. Sie ist die Zukunft. Er ist die Vergangenheit. Und am Wahltag werden die amerikanischen Wähler diesen Wandel annehmen.

Dies alles wird möglich sein, weil Harris bei den Wahlen republikanisch inspirierte Umfragen Lügen strafen und mit einer größeren Mehrheit gewinnen wird, als viele Meinungsforscher erwartet haben. Trump wird sich noch einmal mit großem Geheul aufbäumen und das Wahlergebnis abstreiten. Doch am Ende werden seine Verschwörungstheorien und Anfechtungen der Rechtsprechung erfolglos bleiben, wie schon 2020 und 2021. Warum die Experten, die in den letzten Jahren oft falsch lagen, erneut falsch liegen werden, hat mehrere Gründe.

Erstens hat Harris eine außergewöhnliche Kampagne geführt, makellos umgesetzt von ihrem Team und von ihr. Seit Joe Biden am 21. Juli angekündigt hat, dass er nicht erneut kandidieren werde, hat sie nicht einen wirklichen Fehltritt begangen. Ihre ersten öffentlichen Reden waren voller neuer Energie und Visionen, die in der amerikanischen Politik dringend gebraucht wurden. Der Nominierungsparteitag der Demokraten endete mit einer großartigen Rede von ihr, und sie besiegte Trump gleich im ersten TV-Duell. Die Wahl von Minnesotas populistisch-robustem Gouverneur Tim Walz als Vizekandidaten verlieh ihr die notwendige Bodenhaftung.

Ihr jüngstes „Schlussplädoyer“ am Ellipse in Washington – von wo aus Trump am 6. Januar 2021 seinen Putschversuch startete – war ein perfekt inszenierter und durchgeführter Abschluss einer rasanten Kampagne, in der sie klarstellte, dass sie genau die Präsidentin ist, die Amerika jetzt braucht. Durch diese Bemühungen und die Disziplin, die sie in das Rennen eingebracht hat, hat Harris auch konkrete Ergebnisse erzielt, die ihren Sieg kommende Woche direkt beeinflussen werden. So hat sie deutlich mehr Geld gesammelt als Trump.

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Wie tief kann man sinken? Trumps letzter Appell: keine positive Vision, nur Drohungen und Gewaltfantasien.

Harris hat im Vergleich zu Trump ein überlegenes Ground Game, da ihre Kampagne auf 2.505 Mitarbeitende und 358 Büros in den wichtigen Swing-States setzt, was deutlich umfangreicher ist als Trumps dortige Operationen. Während Harris‘ Team eine gezielte Strategie auf allen Ebenen verfolgt, lagert Trump vieles an Elon Musk aus. Dessen chaotische Crew hat Motivationsprobleme direkt auf Wähler zuzugehen und gilt als leidenschaftslos und überwiegend ineffektiv.

Harris hat eine neue Koalition mobilisiert, die für ihren Sieg verantwortlich sein wird, unterstützt durch eine riesige Wahlbeteiligungskampagne und gezielte Botschaften, die in jeder wichtigen Wählergruppe mit konkreten Ideen auf Resonanz stießen. Sie profitierte auch von der positiven Bilanz der Biden-Harris-Allianz und von überzeugenden, oft provokanten Botschaften. Wie bereits 2022 und bei Wahlen davor und danach, wird das Modell der Meinungsforscher wieder falsch liegen, da es den Widerstand der Frauen gegen die Aufhebung von Roe v. Wade unterschätzt.

Die Wahl des frauenfeindlichen Trolls JD Vance als Trumps Vizekandidat, sein wiederholtes Infragestellen des Rechtes auf Schwangerschaftsabbruch und Trumps suspektes Versprechen, Frauen „ob sie wollen oder nicht“ zu beschützen, verärgern weibliche Wählergruppen aller Generationen. Frauen fühlen sich dadurch bevormundet, und deshalb zeigen die bisher über 30 Millionen abgegebenen Stimmen eine Genderlücke von etwa zehn Prozent. Dieser „Gendergap“ ist eine schlechte Nachricht für Trump, dokumentieren doch Umfragen, dass Harris bei Frauen durchweg viel besser abschneidet als er. Zudem könnten wichtige Gruppen von Wählerinnen übersehen worden sein, darunter sogenannte „Whispering Women“ – Frauen, die in den Modellen nicht auftauchen, weil sie aus Gruppen stammen, die traditionell anders abgestimmt haben, die jedoch im Wahllokal insgeheim für Harris stimmen.

Die Vizepräsidentin hat klugerweise die Gewinnung unentschlossener Wähler aus dem Lager der Republikaner zu einem zentralen Ziel ihrer Kampagne gemacht und die Unterstützung prominenter Republikaner wie Liz Cheney und ihrem Vater sowie hunderter ehemaliger Trump-Mitarbeiter und republikanische Beamte landesweit, gewonnen. Was Modellierer wie Nate Silver schockieren wird: Harris hat gute Chancen eine bisher undenkbare Anzahl republikanischer Mandate zu gewinnen, in einigen Staaten vielleicht 15 bis 20 Prozent der GOP-Stimmen. Auch eine höhere Wahlbeteiligung unter jungen Wählern und People of Color allgemein könnte überraschend sein.

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie

Harris hat die besseren „Surrogates“, darunter Superstars wie Taylor Swift.

Seit sie ins Rennen eingestiegen ist, hat Harris den Abstand zu Trump, bei dem Joe Biden teilweise hinterherhinkte, geschlossen und liegt in nationalen und in den sieben entscheidenden Staaten entweder gleichauf oder vorne. Umfragen, die im Fernsehen oder Internet erscheinen, sind jedoch durch bis zu 100 Umfragen verzerrt, die von Trump-Unterstützern finanziert wurden. Laut dem demokratischen Strategen Simon Rosenberg, einem der wenigen, der die Wahlen 2022 korrekt vorausgesagt und den Hype um eine „rote Welle“ abgelehnt hat, liegt Harris in unabhängigen Umfragen landesweit im Durchschnitt 2,4 Prozentpunkte vorne.

Frühe Wahlbeteiligung und Registrierungsdaten unterstützen diese These. Berücksichtigt man die Fehler der Umfrageinstitute in der Vergangenheit, die wahrscheinlich tendenziösen Modelle entgegen aktueller Trends, die zu ihren Gunsten sprechen, deuten darauf hin, dass Harris am 5. November gewinnt und das sogar mit deutlichem Vorsprung. Ein weiterer Beweis ist die Tatsache, dass Trump bereits wieder Lügen über „manipulierte Wahlen“ verbreitet. Mit anderen Worten: Auch der Ex-Präsident weiß, dass er verlieren wird.

Die Kampagne von Kamala Harris wird nicht nur von namhaften Republikanern, sondern auch von zahlreichen Celebritys begleitet, die aktiv Unterstützung mobilisieren. Dazu zählen Stars wie Beyoncé, Taylor Swift, Bad Bunny, Jennifer Lopez, Eminem, Ariana Grande, Bruce Springsteen, Julia Roberts, Meryl Streep, Oprah Winfrey und George Clooney. Sie alle nutzen ihre Reichweite, um Harris‘ Botschaften zu verbreiten.

Am Ende ist es oft ein kleiner Auslöser, der alles ins Wanken bringt – ein scheinbar unbedeutendes Detail, das wie der Flügelschlag eines Schmetterlings eine Kettenreaktion in Gang setzt. Eine winzige Veränderung, eine unscheinbare Bewegung, die genau im richtigen Moment stattfindet, kann die Menschen wachrütteln und das gesamte Gefüge erschüttern. Ein letztes Argument, warum ich glaube, dass Harris gewinnen wird, ist der Common Sense. Die Wähler haben Fehler gemacht. Aber es gab nie eine so klare Wahl wie diese – zwischen Freiheit und Zwang, Demokratie und Alleinherrschaft, Licht und Schatten.

Ein weiterer Anlass zur Hoffnung: Laut einer Gold-Standard-Umfrage im erzkonservativen Iowa liegt Harris dort unerwartet mit 3 Prozentpunkten vor Trump. Die Umfrage vom Des Moines Register und Mediacom Iowa erscheint immer kurz vor den Präsidentschaftswahlen und gilt als wichtiger Gradmesser für die Stimmung im Land.

Sieben Signale für einen Sieg der Demokratie