Die Welt im Jahr 2050: Trendforscher Sven-Gabor Jánszky im Interview
Würden Marty McFly und Doc Brown, die Helden aus Robert Zemeckys Science-Fiction-Film-Trilogie Zurück in die Zukunft, mit ihrer Zeitmaschine abermals 35 Jahre vorwärts düsen, in was für einer Welt würden sie dann wohl landen? Sven-Gabor Jánszky über Gesellschaft, Technik, Umwelt, virtuelle Realitäten und den Alltag im Jahr 2050.
Herr Jánszky, Ihr Zukunftsinstitut „2b AHEAD“ gilt als Deutschlands innovativste Denkfabrik. Sind die großen Wirtschaftsführer bereit für Ihre Prognosen oder orientieren sich viele Unternehmer immer noch lieber an Erfahrungswerten aus der Vergangenheit?
Jánszky: Innovationen vollziehen sich nicht immer freiwillig, manchmal eher aus einem Leidensdruck heraus. Der Wettbewerbsdruck ist immens, die Angreifer kommen von der Seite oder aus dem Internet.
„Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist eine vorübergehende Erscheinung.“ (Kaiser Wilhelm II)
Sie sind der Shootingstar unter Deutschlands Trendforschern, Ihre Prognosen beeinflussen die Zukunftsplanung der Marken-, Medien- und Technologie-Branche weltweit. Woher beziehen Sie Ihre Information?
Jánszky: Wir arbeiten auf Institutsebene nach der so genannten Delphi-Methode, das ist qualitative Sozialforschung.
Das gleichnamige Orakel von Delphi hat den Befehlshabern der Antike ja schon mal nach dem Mund geredet …
Jánszky: Wir schauen den Entscheidern lieber auf den Mund, indem wir den Strategie-, Innovations- und Technologie-Chefs international zuhören. Topmanager denken in der Regel nicht nur branchenintern, sondern vor allem Branchen übergreifend. Ich frage dann: „Was tut ihr heute? Warum tut ihr es? Wo investiert ihr rein? Was glaubt ihr, was dann geschieht?“ Daraus berechnen wir die Schnittmenge, das erhöht die Trefferquote. Um die Zukunftsplanung großer Konzerne verantwortungsvoll zu begleiten, hat jede Prognose einen knallharten Realitätstest zu bestehen.
Lassen Sie uns Ihren Think Tank etwas anzapfen: Wie würde ein Tag wie heute in der Zukunft aussehen: Aufstehen, Kinder wecken, Frühstücken und dann die Fahrt zur Arbeit?
Jánszky: Selbstbestimmt und ferngesteuert zugleich: Das Internet wird zum „Evernet“, in dem jeder Haushaltsgegenstand eine eigene IP-Adresse besitzt. Die Gegenstände tauschen dann untereinander Informationen aus, sind individuell auf unsere Bedürfnisse abgestimmt.
Da steht dann zum Beispiel ein lebensechter Pinguin als Hologramm im Kinderzimmer und wird zum freundlichen Wecker, während die Screen-Tapete einen sanften Sonnenaufgang zeigt?
Jánszky: Sehr plausibel, ebenso wie intelligente Assistenten, die uns durch den Tag begleiten und alle wichtigen Infos verfügbar machen. So empfiehlt die Navi aus dem Badezimmerspiegel heraus, etwas früher zu starten und lieber die Autobahn zu nehmen.
Wenn der Kühlschrank anruft und der Badspiegel vor Verkehrsstaus warnt, ist das natürlich praktisch. Bitte werfen Sie auch ein futuristisches Schlaglicht auf Schule und Ausbildung: Wird es noch Lehrer geben?
Jánszky: Die Krux ist ja: Jedes Kind, das mit einem Handy umgehen kann, weiß schon heute in Sekundenschnelle mehr als der Lehrer. In der Zukunft muss man sich das so vorstellen: Um Lehrer und Schüler herum hören Uhren, Brillen und Handys mit, das sind ca. 20 bis 30 Geräte. Sie verstehen die Frage, extrahieren alle Keywords und spielen dann die Antwort in im Handumdrehen in das Blickfeld des Kindes.
Macht das unsere Sprösslinge nicht denkfaul?
Jánszky: Es wird neue Schulfächer geben: das Schulfach „Mut“, das Schulfach „Verantwortung“, dann „Teamarbeit“, „Reflexion“ oder „Programmieren“. Lehrer sind keine Wissensvermittler mehr, sondern eher Trainer, mit dessen Hilfe Kulturtechniken erworben werden können.
Müssen die Kids überhaupt noch Englisch oder Französisch büffeln oder können wir uns in naher Zukunft einfach per Übersetzer-Chip verständigen?
Jánszky: In zwei bis drei Jahren spricht jeder computergesteuert in jeder Sprache mit jedem. Spontan auf Indisch verhandeln? Kein Problem. Funktioniert ja schon heute via Google, obwohl das Programm noch Schwächen hat. Eine Sprache wirklich zu beherrschen, erzeugt jedoch emotional Nähe, insofern bleibt der Sprachunterricht relevant.
Unter Futuristen kursiert die abenteuerliche Prognose, es sei möglich, menschliche Gehirne in Rechner zu übertragen. Die Maschinen könnten uns dann von Krankheit und Tod befreien bzw. zu unsterblichen Überwesen transformieren. Ist so eine digitale Himmelfahrt realistisch?
Jánszky: Nicht auszuschließen, dass das in 40 bis 50 Jahren möglich ist, hier bewegen wir uns noch im Signalstadium. Realistisch ist, dass schon unsere Enkelgeneration signifikant länger lebt. So lassen sich aus eigenen Zellen Organe künstlich produzieren. Eine neue Leber, ein neues Herz wird dann vom Körper nicht mehr abgestoßen. Auch die Anwendung der Gentechnik in Pharmazie und Medizin ist nicht mehr aufzuhalten.
Rasante Fortschritte in der Genforschung: Wird „Jurassic Park“ schon bald Realität?
Macht das eigentlich Sinn, sich im unheilbaren Krankheitsfall einfrieren zu lassen, im Vertrauen auf die Medizin der Zukunft?
Jánszky: Das ist realistischer als die Hirngeschichte. Es gibt schon heute eine Handvoll Anbieter dafür, etwa 4.500. Postmortal frieren diese den kompletten Körper ihrer Klienten ein, wahlweise auch nur den Kopf, um den es ja eigentlich geht. Unzählige sind schon eingefroren, manche lösen dafür sogar ihre Lebensversicherung auf.
Aber bisher ist noch niemand wieder aufgetaut worden?
Die Reanimation scheitert bisher daran, dass die Körperzellen kristalline Strukturen annehmen. Das zerstört die Zellfunktion. Es gibt jedoch bereits Patente, Zellen einzufrieren, ohne dass sie zu Eiskristallen werden. Bis dahin regiert das Prinzip Hoffnung.
Wird denn der Krebs besiegt sein?
Jánszky: Definitiv, wie alle anderen genetisch bedingten Krankheiten. Die Fortschritte in der Genetik vollziehen sich rasanter als in der Computerindustrie und das will was heißen. Spätestens 2025 können solche Gendefekte meines Erachtens endgültig behoben werden.
Zur Zeit werden Roboter vorrangig in der Industrie eingesetzt. Welche anderen Lebensbereiche werden vom Robotereinsatz profitieren? Digitale Haustiere müssten z. B. nicht ständig beaufsichtigt werden und wären auf Anhieb stubenrein. Auch Fantasiewesen wie Drachen oder Einhörner könnten Bello dann Gesellschaft leisten …
Jánszky: Die Japaner zumindest sind ja schon auf den Hund gekommen: Techniktüftler präsentierten unlängst den Prototyp eines Wachhundes mit dem wenig kuscheligen Namen „T7S Type 1“. Wirklich angsteinjagend ist der Vierbeiner jedoch nicht, erinnert mehr an eine Schildkröte. Kurz gesagt: Dass jeder mit einer kleinen Blechbüchse herumläuft, die ein Gesicht hat, bezweifle ich. Intelligente Geräte sind jedoch ein Riesentrend. In der Realität wirds dann eher so aussehen, dass der Herd oder das Auto denken und kommunizieren kann.
Braucht der Mensch dann eigentlich noch einen Führerschein?
Jánszky: Der Autopilot wird ja schon heute in weniger komplexen Verkehrssituationen eingesetzt: Spätestens 2030 sind Lenkräder nur noch ein nostalgisches Accessoire. Fünf Jahre muss man für die Durchsetzung rechnen, dann werden selbstfahrende Autos den Massenmarkt erreicht haben. Anfangs ist das natürlich eher ein Oberklassen-Komfort.
Tesla-Chef Elon Musk treibt sein SpaceX-Projekt voran, andere Visionäre erträumen die Marsmission 2035. Lässt sich das verwirklichen?
Jánszky: Die Mars-Mission ist wahrscheinlich schon 2022 erfüllt, vorher werden bereits niedrigere Orbits besetzt. Den Sprung in die Eroberung des Weltalls werden wir fast alle noch erleben. Zur Zeit wird leider immer noch die Technologie der 80-ger Jahre genutzt, das Zeug ist bis zu dreißig Jahre alt. Die Innovationszyklen vollzogen sich soweit eher langsam. Die neue SpaceX-Technologie ist jedoch kostengünstiger, ihre Qualität nimmt zu. Aktuell sponsert die amerikanische Regierung solche Projekte verstärkt. Wir steuern auf einen Quantensprung zu. Es wird eine Flotte von 600 bis 800 Mini-Satelliten werden, jedoch mit ungeheurer Bandbreite.
Deutschland versucht gerade die Ökologiewende. Wie weit kommen wir damit und wie wird das z. B. unser Ernährungsverhalten prägen: Werden wir alle zu Veganern?
Jánszky: Vegan ist ein Mini-Trend und wird sich nicht durchsetzen. Die Mittelschicht in Asien wächst und adaptiert zunehmend den westlichen Lebensstil. Ein dramatischer Anstieg im weltweiten Fleischkonsum steht bevor. Mit dann bis zu 11 Milliarden Menschen weltweit ist der Bedarf jedoch kaum zu decken. Allein das Methan der Kühe kann die Ozonschicht zerstören. Deshalb wird Fleisch irgendwann industriell hergestellt sein.
Eine gute Nachricht für besorgte Tierfreunde! Wie werden die Fleischzellen denn geklont?
Jánszky: Die Steaks kommen dann aus dem Drucker. Manchen Gourmets hebt das die Zähne. Wer jedoch preisbewusst einkauft, wird sich freuen: Die digitalen Filets haben einen identischen Geschmack, sind jedoch viel günstiger, kosten dann vielleicht nach heutigem Währungsstand nur 1 €.
Kann man eigentlich mit dem genetischen Material von Fossilien längst ausgestorbene Tiere wie Mammuts wieder zum Leben erwecken? Ein Bronzezeit-Zoo wäre doch die Attraktion für Kinder …
Jánszky: Ad hoc mal eben künstliche Tiere zu produzieren ist schon ein gravierender Eingriff in die Evolution und sollte überdacht werden.
Weil uns dann eine Szenerie wie aus dem Science-Fiction-Horror-Film „Jurassic Park“ droht – als Strafe, dass wir Gott spielen wollten?
Jánszky: Es ist nicht nur eine Frage der Ethik: Nahrungsketten, die sich in der Vergangenheit als unökonomisch erwiesen hatten, entstehen aufs Neue. Schließlich wurden die Mammuts von der Evolution aussortiert, um ein bestimmtes Gleichgewicht zu erzielen. Man würde damit schon massiv in den Lauf der Natur eingreifen und ihre Gesetze missachten.
Die Grundstücke in den Städten werden immer teurer. Erste Konzepte zeigen Häuser, die zum Großteil unter Wasser liegen …
Jánszky: Teure Unterwasser-Hotels für erlebnishungrige Touristen, die mit großem Aufwand betrieben werden, sind natürlich denkbar und schon jetzt in Planung. Für komplette Städte oder Zivilisationen wäre der Aufwand zu hoch. Schwimmende Häuser, die sich mit dem Wasserpegel heben und senken, gibt´s natürlich schon. Für ein Leben unter Wasser ist der Mensch jedoch nicht geschaffen, das ist dem Reich der Mythen vorbehalten.
Es wird wohl auch so schnell nicht möglich sein, sich wie in „StarTrek“-Filmen an einen anderen Ort zu „beamen“. Doch die Holo-Telefonate der Zukunft sollen sich ein wenig so anfühlen?
Jánszky: Beamen ist Utopie: Ein Organismus müsste mitsamt seiner kleinsten Atome zersetzt und an einem anderen Ort reproduziert werden. Virtuelle Realitäten werden jedoch schon in 10 Jahren unseren Alltag mit neuen Displays bereichern. Das Gegenüber steht dann beim Telefonieren als Hologramm im Raum, die perfekte Illusion. Auch Filme wird es geben, bei denen der Betrachter mitten im Geschehen steht. Die Helden laufen dann um ihn herum. Beamen wird jedoch vorläufig eine Utopie bleiben.
In dem Orwell-Roman „Schöne neue Welt“ wird kollektiv die Glücksdroge „Soma“ verabreicht. Welche Neuropusher, Nootropika oder Supernährstoffe könnten zukünftig unsere Denkleistung steigern?
Jánszky: Es gilt heute noch als Medikamentenmissbrauch, Ritalin & Co. zu schlucken. Solche aktivierenden Substanzen werden ja nicht gesunden Menschen, sondern ADHS-, Alzheimer- oder Schlafkrankheits-Patienten verordnet. Hier zeichnet sich eine Trendwende ab: In Labors wird schon jetzt nach psychoaktiven Wirkstoffen geforscht, die keine Nebenwirkungen erzeugen. Von Missbrauch kann dann nicht mehr die Rede sein. Eine Art Volksdroge, so happy sie uns auch macht, würde natürlich zunächst mal ethische Debatten auslösen.
George Orwell lässt grüßen: Werden auch wir dann in einem digitalen Überwachungsstaat leben? Erste Zeichen dafür gibt’s ja schon …
Jánszky: Da bin ich optimistisch, solche Apokalypse-Szenarien sehe ich nicht. Daten werden ja vorwiegend erhoben, um den Service zu verbessern, nicht zu manipulativen Zwecken. Gefahr besteht doch nur, wenn z. B. Google ein Monopol besäße. Dann hätte der Nutzer keine Wahl mehr, stattdessen ist er aber selbstbestimmter denn je. Es gibt an die 100 Suchmaschinen, auch wenn das Gros der Bevölkerung nur 10 bis 20 nutzt. Käme dann raus, dass Google seine Nutzer manipuliert, könnten das Programm mit wenigen Mausklicks komplett abgeschaltet werden. Davor haben sogar Giganten wie Google großen Respekt.
Menschheitstraum Zeitreise: Je näher man laut Einstein an die Lichtgeschwindigkeit von knapp 300.000 km pro Stunde herankommt, desto langsamer vergeht die Zeit. Wir müssten also „nur“ ein entsprechendes Raumschiff bauen ….
Jánszky: Ob wir wirklich eines Tages mit einem Sportwagen in die Zukunft düsen können, wie man es aus vielen Büchern, Filmen und Serien kennt, ist unklar. Ökonomisch wäre es nach heutigem Kenntnisstand nicht. Ein Astronautenteam müsste 5 Jahre lang ununterbrochen fliegen, um auch nur die geringste Zeitverschiebung zu erzielen. Sobald sie auf einem Planeten landen, der ein Gravitationsfeld hat, wird der Zeitvorsprung unwirksam. Nur, wenn wir ständig herumfliegen, wird die Alterung aufgehalten. Das ist Zukunftsmusik. Dann sollte man sich schon lieber einfrieren lassen! 😉
Hier schließt sich der Kreis. Gestatten Sie unserer Redaktion zum Schluss noch die Gretchenfrage: Wie hält es der Mensch der Zukunft mit dem Kaffee?
Jánszky: Durch den Klimawandel wird sich auch der Kaffeemarkt stark verändern. So könnte es der Arabica-Bohne in manchen Anbaugebieten zu heiß werden. Dialog-Plattformen wie zurheide-kaffee.de sind jedoch sehr zukunftsfähig: Die Menschen möchten einer Community angehören und sich aktiv einbringen. Wenn dann der Kaffee noch gut ist, um so besser!
DR. CLAUDIA ROOSEN
Weiterführende Links
Sven Gabor Jánszky auf Wikipedia, …
wikipedia.org/wiki/Sven_G%C3%A1bor_J%C3%A1nszky
… seiner Homepage
www.2bahead.com/
… sowie auf YouTube:
www.youtube.com/watch?v=VmtduwxwKK4