Die Eskalation der Kristi Noem

Die Eskalation der Kristi Noem

© Felix Amadeus Flick

Inside the MAGA-Mind: von den hässlichen Effekten einer kollektiven Paranoia

Ein Jahrhundertprozess, eine mutige Jury und ihr schneller Schuldspruch: Donald Trump verlässt am Donnerstagnachmittag New Yorker Zeit als 34-fach verurteilter Straftäter das Gerichtsgebäude. Dabei reckt er beifallsheischend beide Fäuste in Richtung MAGA-Meute. Eine Geste, die auch bedeutet: „Sie sind nicht hinter mir her, sondern hinter Euch!“ Im rechten Lager versteht man die Rache-Message – an Richter, Schlüsselzeugen, Liberale und alle, die sich der politischen Sekte widersetzen. Manchmal trifft es auch Welpen …

Vielleicht noch schockierender als Kristi Noems kaltblütige Exekution ihres angeblich aggressiven Drahthaar-Welpen ist der Stolz, mit dem sie sich damit in ihren Memoiren anpreist – als jemand, der notfalls auch bereit ist, für Trump die Frau fürs Grobe zu sein. Doch das Konzept, ihm mit dieser Enthüllung zu imponieren und sich damit als künftige Vizepräsidentin zu qualifizieren, geht nicht auf. Zu grausam war das Kopfkino, das die Gouverneurin von South Dakota freisetzte, zu verstörend die Schilderung von „Crickets“ Hinrichtung. Der Titel ihres Buches „No Going back“ wird damit zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung, wenngleich auf ironische Weise. Mit ihrem lebensverachtendem Weltbild steht sie trotzdem nicht allein.

Es gibt viele Möglichkeiten, mit einem undisziplinierten Welpen umzugehen: Einen Trainer engagieren. Den Hund zum Züchter zurückbringen. Ihn in einem Tierheim abgeben. Nur jemand mit sehr wenig Herz oder Seele würde das arme Geschöpf stattdessen zu einer Kiesgrube schleppen und blindwütig erschießen, und dann noch in seinem Buch damit prahlen. Sogar der ultrarechte Propaganda-Kanal Fox News wandte sich von ihr ab: Wer „hasst“ einen Hund – außer „Cruella de Vil“ – ist Kristi Noem wirklich so dumm? Wenn sie sich wie ihr Idol Donald Trump ausschließlich in einer Bubble bewegt und mit Sykophanten umgibt, die Gewalt glorifizieren, könnte die Antwort sehr wohl ja lauten.

Maga ist ein Kult mit Gläubigern in staatstragenden Ämtern 

Es war eine Szene wie aus Alice im Wonderland: Vor dem Gerichtsgebäude, in dem der Schweigegeld-Prozess verhandelt wurde, versammelten sich der Sprecher des Weißen Hauses Mike Johnson und andere hochrangige Trump-Loyalisten in Einheitstracht mit roter Krawatte, um Jury und Richter zu verunglimpfen und ein Loblied auf ihren Anführer zu singen – einige bereits so knietief in Selbsterniedrigung versunken, dass sie in einer gleichermaßen grotesken wie anbetenden Pantomime Trumps Handgesten imitierten. Denn die beste Verteidigung für Donald Trump sind nicht seine Anwälte. Es sind Republikaner wie der dritthöchste Mann im Staat, die ihm bedingungslose Gefolgschaft schwören. Weitere VIPs schlossen sich an: Dazu gehörten Floridas Senator Rick Scott, JD Vance aus Ohio, der Kongressabgeordnete Byron Donalds sowie Doug Burgum, Gouverneur von North Dakota.

Oder Richter des obersten Gerichtshofs, die den Wahlsieg von Biden nicht anerkennen: Darunter Judge Samuel Alito, der eine umgedrehte amerikanische Flagge vor seinem Haus hisste, wenige Tage nachdem das US-Kapitol gestürmt wurde: ein codiertes Symbol für MAGA-Anhänger, die damals den Aufstand mit tödlichem Verlauf verursachten. Unter ihnen: die Frau von Clarence Thomas, ebenfalls höchster Bundesrichter. Die Liste korrupter Würdenträger ließe sich endlos fortsetzen: etwa mit seiner Amtskollegin Aileen Cannon, die seit Monaten den Geheimdokument-Prozess vorsätzlich verschleppt und bereits implizierte, ein Präsident hätte sogar beim Ausschalten von politischen Gegnern Immunität: bis hin zum Einsatz von Snipern der Spezialeinheit Seal Team 6.

Die Abgeordnete Jasmine Crockett könnte die Heldin der neuen Normalität sein, weil sie dem Vizepräsidenten von America First Legal, Gene Hamilton Contra widersprach: in Bezug auf Trumps Project 2025, eine Handlungs-Steilvorlage im Falle seiner Wiederwahl. Der rechtsradikale Entwurf fordere die Abschaffung des Bildungs- und Handelsministeriums sowie den Einsatz des Militärs zur inneren Rechtshandlung gegen Protestanten, so Crockett zu Hamilton während einer Anhörung des Repräsentantenhauses. Er sehe auch die Aufhebung des Mitarbeiterschutzes für Tausende von Bundesangestellten vor, um Regierungsbeamte durch eigene Gefolgsleute zu ersetzen. Oder verbiete dem FBI die Bekämpfung der Desinformationskampagnen von Russland oder China mit dem Ziel verdeckter Einflussnahme auf amerikanische Wahlen.

»Catfight« im Kapitol

Rep. Jasmine Crockett machte jetzt auch damit Schlagzeilen, der Rechtspopulistin Marjorie Taylor Greene widersprochen zu haben, die sie während einer Sitzung des House Oversight Committee aufgrund ihrer angeklebten Wimpern verspotten wollte: Über diese könne Crocket, so MTG, „nicht hinauslesen“ und daher auch Trumps Agenda nicht verstehen. Crockett, eine schwarze Bürgerrechtsanwältin, wandte sich daraufhin an den konservativen Vorsitzenden des Ausschusses, nachdem er sich geweigert hatte, Greene der Sitzung zu verweisen: „Wenn ich umgekehrt in diesem Ausschuss anfinge, über jemandes blondierten, schlecht gebauten Männerkörper zu sprechen (´Bleach Blonde Bad Built Butch Body´), wäre das dann auch kein persönlicher Angriff?“ Der Zickenkrieg ging viral – mit Twitter-Memes und Raps rund um den #BleachBlondeBadBuiltButchBody sowie Splitscreens, in denen mal Mickey Rourke, dann wieder ein Neandertaler als Marjorie Taylor Greene posiert. „Ihr Verhalten war absolut rassistisch“, verteidigt sich Crockett gegenüber der News-Website The Daily Beast. MAGA trolle schon seit einer Weile People of Colour in den sozialen Medien, „indem sie z. B. mich wegen meiner Haare, meiner Wimpern und meiner Nägel als ‚ghetto‘ bezeichnen“. Zu Trumps Versprechen, er sei „Dictator on Day One“: „Ich weiß, dass das alles angeblich ein Witz sein sollte, den manche lustig fanden, aber in den Vereinigten Staaten sind Diktaturen niemals lustig.“ Project 2025 liefere bereits jetzt die Steilvorlage: für Trump und andere kommende Autokraten.

History Repeating? Trump: „I was too nice!“

In einem exklusiven Interview mit dem TIME-Magazin, das unlängst veröffentlicht wurde, sagte der ehemalige Präsident, dass er im Falle einer Wiederwahl noch wesentlich autokratischer vorzugehen plant. Seine Agenda umfasst die Verwendung des US-Militärs zur Abschiebung von elf Millionen illegalen Einwanderern, den Einsatz der Nationalgarde zur Unterdrückung von Protesten, die Ausdünnung des öffentlichen Dienstes und vieles mehr, so die Quelle. Dazu zählt auch die Freilassung der wegen des Sturms auf das US-Kapitol Inhaftierten, die in seinen Augen Patrioten und Geißeln der Demokraten sind sowie ein Rachefeldzug gegen politische Gegner. Auch die erneute Anstiftung zu einem Aufstand schließt er im Falle einer Niederlage nicht aus. Noch dominiert er in Umfragen das Rennen ums weiße Haus.