Trügerisches Licht aus der Maschine

Tragische Trotzfantasie eines Bergmanns als Midjourney-Clip

Trügerisches Licht aus der Maschine

Tribut an alle Kumpel, die unter Tage blieben: Wenn ElevenLabs zum Geschichtenerzähler wird

KI-gestützte Story-Produktion mit Tools wie Sora (OpenAI) oder Midjourney ermöglicht neue Formen visueller und narrativer Verdichtung – jenseits konventioneller Dokumentation und linearer Erinnerung. Durch diese Linse betrachtet, ist die diesjährige Bottroper Grubennacht kein nostalgischer Rückblick mehr. Sie wird zu einem Prüfstein dafür, wie Erinnerung heute erzählt, befragt und neu gerahmt wird.

Zwischen Ritual und Neuerzählung entsteht plötzlich ein Raum, in dem Vergangenheit nicht nur dokumentiert, sondern anders konturiert wird. Warum also nicht auch mit künstlicher Intelligenz? Denn manche Geschichten tragen eine Schwere, die immer wieder verarbeitet werden will.

Das Video „Der Verdacht von etwas anderem“ ist Teil dieser Befragung. Es zeigt keine Geschichte im traditionellen Sinne, sondern eine innere Bewegung: die Trotzfantasie eines Bergmanns. Erst das Elend unter Tage, dann der Gedanke, dass dort mehr liegt als Pech. Dass aus Kohle Gold werden könnte. Dass Macht, Sichtbarkeit, ein anderes Leben möglich wären. Und schließlich der Moment, in dem diese Fantasie zerbricht.

Die nun veröffentlichte Fassung kombiniert das Gedicht mit einer KI-Stimme von ElevenLabs. Die Stimme ist bewusst gewählt: generisch, glatt, funktional. Sie trägt den Text, ohne biografisches Gewicht. Genau darin liegt ihre Irritation. Sie funktioniert – und verweist damit auf eine Leerstelle.

Denn ein filmisches Weiterdenken – mit erweiterter Dramaturgie und erstmals einer menschlichen Stimme – befindet sich bereits in Arbeit. Es entsteht im Zuge des Relaunchs der eXtrawerke-Website. Zu den Mitwirkenden zählt auch ihr Initiator Wolfgang Eickwinkel, der selbst als Sprecher auftritt. Die reale Stimme fungiert dabei als bewusster Gegenakzent zur KI.

Zwischen beiden Fassungen spannt sich die eigentliche Frage dieses filmischen Experimentes: Was geschieht, wenn Technologien beginnen, Geschichten zu erzählen, die aus Körpern, Arbeit und Erinnerung entstanden sind – und wann verlangen diese Geschichten ihre Stimme zurück? Das Video-Essay bewegt sich entlang dieser Grenze:


Der Verdacht von etwas anderem

Ihr seht mich krumm im Stollen stehen,
mit schwarzem Staub in den Wimpern.
Ihr blickt auf mich herab, und ich nicke nur matt.
Ihr seht den Schweiß und das ewige Schwarz,
und wisst nicht, mit wem ihr redet.

Und die Kohle, die Kohle,
sie wird glimmen wie Gold.

Man sagt: Hau deinen Stempel in die Wand, mein Sohn,
und man reicht mir den Lohn — viel zu wenig.
Die Hacke trifft Stein, und ich weiß:
Da unten liegt mehr als nur Pech.

Eines Tages geht ein Raunen durch die Schächte,
und ihr fragt: Was passiert da unten eigentlich?
Und warum glänzt sein Blick so kühn?
Da werdet ihr mich lächeln sehen im Grubenlicht.

Wenn ich dann die Stufen hinaufsteige zum Tag,
wird man sagen: Dem sieht man die Tiefe an.
Schöne Frauen werden innehalten —

Und die Kohle … die Kohle
sie verleiht mir Macht.

Doch dann … ein Riss. Ein Krachen.
Die Erde bricht auf.
Und alles zerfällt im Staub,
mein Traum fällt in die Tiefe.

Denn die Kohle, die Kohle —
sie nimmt mehr, als sie gibt.

Gewidmet allen Kumpeln, die unter Tage blieben †

🎥 Hinweise

✦ Created & realized by Claudia Roosen
≈ Briefing: Udo Schucker (wat-gibbet)

✧ Visuals: Midjourney
☍ Animation: Sora & Runway
➝ Editing: Clipchamp
⊙ Voice: ElevenLabs