Das Vermächtnis des Charles Eames
Wie der Design-Code von Ray & Charles Eames nach einem halben Jahrhundert entschlüsselt, neu interpretiert und um ein unverzichtbares Trend-Accessoire erweitert wurde. Eine Spurensuche, eine historische Hintertreppe und dann – eine Verführung: zum Einstieg in die exklusive Welt des Livings, modern reflektiert von vitra und t.a.f.f.
Um einen Design-Code zu verstehen und dann dessen Formel stilprägend zu ergänzen, bedarf es gründlicher Analyse: Deshalb versenkte sich auch Thomas Albrecht, Kürschner und Künstler, zunächst in Kontemplation. Die Objekte seiner Begierde, die zu transformieren er beabsichtigt, sind schlichte Sperrholzsessel und Stapel- Stühle sowie andere, flexible Möbelstücke des Design- Genies Charles Eames (1907 – 1978). Leicht und wandelbar sind sie, geformt in aufregenden Kurven, hergestellt aus erschwinglichen Materialien. Ihr Design – Schalen, Wirbel, grafische Linien – ist inspiriert durch Künstler wie Paul Klee, Joan Miró und Alexander Calder.
Erfüllt von Pioniergeist experimentierte das Ehepaar Eames mit damals ungewöhnlichen Materialien und schockierte das Establishment seiner Zeit mit Werkstoffen wie Draht, Fiberglas oder Aluminium. Während Charles Eames sich als Architekt verstand, war seine Frau die Malerin: Denn die Handschrift von Ray, ausgebildet in den Fußstapfen des Bauhauses, schimmert durch, immer dann, wenn ihre klare, oft geradezu provokant schmucklose Formensprache einem Objekt Schliff und Struktur verleiht. Das Gestaltungsprinzip liebt Funktionalität, ist jedoch vom Wesen her organisch und folgt in Farbgebung und Linienführung der Natur. Über strenge Geometrie setzt es sich unbekümmert hinweg. Ebenso natürlich stellen sich die Aufgaben: Gefragt sind oft spontane Alltagslösungen – für einen Freund, ein Gebäude, eine Situation.
Trotz Lebensfreude, Leichtigkeit und „Savoir Vivre“ waren die Eames Besessene: Arbeit atmeten sie förmlich ein. Entsprechend viel Zeit steckte in jedem Entwurf. Was immer ihr Interesse weckte, wurde obsessiv vollendet, bis es unweigerlich Kultstatus erlangte. Ihre Vergnügungen nahmen sie ernst: Jedes Objekt sollte von universeller Qualität sein und seine Ära überdauern, so spezifisch der Einsatz anfangs auch war. Deshalb galt es, nicht nur Dinge des täglichen Gebrauchs zu gestalten, sondern auch aktiv an der gesellschaftlichen Umgestaltung teilzunehmen.
Auf den Spuren von Ray & Charles Eames
Im Namen der beiden Stilikonen paradierte schon bald eine ganze Bataillon von Möbel-Klassikern und demonstrierte, wie raffiniert Schlichtheit sein kann: Da protzen rustikale Holztische schroff neben zierlichen Side-Tables aus Aluminium. Da macht ein lederbezogener Drehsessel als Lounge-Chair Furore. Da provoziert der Wire Chair unerhört spartanisch als Drahtstuhl; überraschen Sitzmöbel mit futuristisch verschnörkelten Stuhlbeinen als Plastic Side Chairs, mit oder ohne Armlehnen oder laden als Schaukelstühle zum Swingen ein. Gemeinsam mit anderen Trendteilen der Fiberglas Group setzen sie ihren Siegeszug fort und stoßen das Tor zum Millennium auf.
Die Sitzfläche besteht mittlerweile aus komfortablerem Polypropylen, ein Zugeständnis an eine neue Art von Komfort. Sieht man von solchen kleinen Anpassungen ab, bleibt ihr Design unangetastet: Originale wie der berühmte Eames-Armchair sind schließlich Jahrhundertentwürfe, Fetische fast, jeder einzelne ein begehrtes Sammlerstück. Angefertigt in Kleinstserien stehen sie von Anfang an im Rang eines Kunstwerks. Kann man so viel Perfektion noch toppen, womöglich gar mit kapriziösem Dekor, welches noch dazu kokett mit Luxus, Highlife und den Sonnenseiten des Lebens flirtet? Man kann, wenn man Thomas Albrecht heißt und einen verwegenen Traum hat: eine kreative Nische in dem legendären Konzept zu finden und diese kongenial zu füllen.
Der blinde Fleck des alten Meisters
Es bedarf jedoch feiner Sensoren, um ein wie auch immer geartetes Vakuum aufzuspüren, denn der legendäre Plastic Armchair von Charles Eames verkörpert Pragmatik auf höchstem Niveau. Entsprechend bezahlbar sind die ausgewählten Werkstoffe: mal Schichtholz, mal Draht, mal glasfaserverstärkter Kunststoff. Über aller Kreation schwebt der Leitgedanke, „vom Besten so viel wie möglich für so wenig wie möglich“ zu bieten. Doch so selbstgenügsam die Wohnobjekte der Eames-Ära auch daherkommen: Die Schönheit des Schlichten hat ihren Preis. Verzichtet sie doch auf eben jene Prise Wildheit, die das Living heute so aufregend und sexy gestaltet. Subtil wahrnehmbar ist auch ein Manko an Geborgenheit und Wärme. Wie also lässt sich eine ausgetüftelte Design- Formel, für herkömmliche Möbelausstatter Hieroglyphen, sinngebend weiterentwickeln und ergänzen?
Ein gewagtes Spiel zwischen Nähe und Distanz beginnt. Kürschner wie Thomas Albrecht gehen mit scharfen Klingen zu Werke und wagen den Umkehrschluss, nicht minder messerscharf: Wenn die Gegenwart vom Design der Nachkriegszeit profitiert, warum soll dieses nicht auch durch moderne Designsprache an Ausstrahlung gewinnen? Sowie den Sitzkomfort optimieren: Denn Marken wie vitra oder auch t.a.f.f. reagieren längst zeitgemäß auf die neue Körpergröße, welche seit der Erstproduktion des Eames- Chair durchschnittlich gestiegen ist. So ist der legendäre Eames Plastic Side Chair, kreiert in Kooperation mit Zenith Plastics für den „Low Cost Furniture Design“-Wettbewerb des Museums of Modern Art nun bei vitra in neuer Höhe von 43 cm verfügbar.
Wer den Klassiker nicht verändern möchte und bewusst auf neue Untergestelle verzichtet, gleicht den Höhenunterschied einfach mit t.a.f.f.-Sitzpads aus. Damit das Wagnis gelingt und ein „Add-on“ für den Eames- Chair nicht zur Anmaßung wird, ist jedes Detail ihrer Verarbeitung von Thomas Albrecht zuvor penibel zu planen. Jeder Kompromiss wird zum Tabu, in jeder Kürschner-Geste stecken 40 Jahre Erfahrung und künstlerischer Eigensinn. Traditionell, in leidenschaftlicher Handarbeit, werden die Trendteile gefertigt, bis sie schließlich organisch mit den Eames Klassikern verschmelzen und doch die technischen und ästhetischen Standards der Gegenwart erfüllen.
Das „eigensinnliche“ Kopfkino von t.a.f.f.
Jedes Charakterstück erzählt eine Geschichte: von luxuriösen Yachten, schönen Frauen, überschäumender Daseinslust und einer Design-Vision, die Jahrhunderte zu überdauern gedenkt – die Legende eines unsterblichen Wohnstils, der immer wieder neue Generationen erobert. Als zeitlose Liebhaber-Stücke kommunizieren sie perfekt mit der Typografie jener Ära, jenseits aller Mythen und Klischees, die das Bauhaus bis heute umgeben. Dass die Weimarer Kunstschule keineswegs kühl und minimalistisch war, beweist die Design-Handschrift von Ray Eames, welche dort ausgebildet wurde.
Verantwortlich für den typischen Eames-Look bereicherte sie das Werk von Charles Eames um unverwechselbare Formensprache, war Macherin und Muse zugleich. Zuweilen zwischen Entscheidungen schwankend, sei es oft gerade ihre manische Präzision in den kleinsten Details, die zu dem Endresultat in Farb-, Stoff- oder Formwahl beitrug. Verantwortlich für die Optik, hatte sie eine besondere Art, scheinbar unzusammenhängende Objektvorteile zusammenzufügen und in eine neue Beziehung zu setzen, mit Feingefühl für ihren jeweiligen Charakter. Jedes Eames-Sitzmöbel verströmt ihre Liebe zu den Dingen und sorgt für „außerkulturelle“ Überraschungen.
Entsprechend unique sollte das Material für ein Sessel-Pad selektiert werden. Konsequent arbeitet man in der Albrecht- Pelzmanufaktur ausschließlich mit elitären Webpelzen sowie Fellen bester Freilandzuchten: von Tibet-Lamm mit einzigartigem Griff und Farbverlauf über mondänes Merino im Nomadenstil bis hin zu selektierten Ledern in der vertraut butterweichen Haptik eines Premium-Produktes. Die variantenreichen Looks schwärmen für wahre Werte: Expressive Trendteile paaren sich mit unverfälschter Handwerkskunst und werden zu viel prämierten Stil- Magneten – Entwürfe voller Anmut und Rasanz, die je nach Perspektive und Lichteinfall changieren und den Betrachter in ihren Bann ziehen.
Wenn die Quantenphysik Recht hat und unsere Zukunft gleichzeitig mit der Vergangenheit existiert, erscheint der kreative Handschlag zwischen Design-Genies wie Charles Eames und zeitgenössischen Möbelbauern nicht nur denkbar, sondern eigentlich unabdingbar. Auch für die moderne Stil-Instanz vitra ist die Begegnung mit Charles & Ray Eames schicksalshaft, Zündfunke für die Geschichte ihres Unternehmens, welches seine Werte fortan an dem Social Design der Bauhaus-Ära ausrichtet und seinen Gestaltungsauftrag immer auch historisch und sozial auffasst. Dazu zählen nicht nur Kenntnisse der Ergonomie, sondern auch ein umfassendes Verständnis von Wahrnehmungs-Prozessen und der menschlichen Seelenlandschaft. Das interdisziplinäre Zusammenwirken mit Vordenkern aller Geistesrichtungen oder Manufakturen wie Thomas Albrecht Fur & Fashion verstand sich da fast von selbst.
So entspinnt sich ein produktiver Dialog über die Grenzen von Zeit & Raum hinweg und materialisiert sich in unverwechselbarem Dekor: Dermaßen symbiotisch verschmelzen die t.a.f.f.-Felle und Pads heute mit dem ikonischen Eames-Armchair und kongenialen Sitzmöbeln von vitra, dass es verwundert, wie sie jemals ohne einander existieren konnten.
CLAUDIA ROOSEN