Café Hawelka: Kaffee-Kränzchen bei Leopold & Josefine!
Ein Vater, zwei Söhne und ihr Bekenntnis zur Tradition. Denn das Neue wird schnell alt, aber das Alte bleibt immer neu: Gemütlichkeit, Gebäck-Spezialitäten, Kaffee in feinstem Porzellan statt „Coffee to go“ – und die Entscheidung, den „kleinen Braunen“ selbst zu rösten, wie es schon die Großeltern Leopold und Josefine Hawelka taten. Doch trotz Thonet-Sesseln und nostalgischer Fin-de-Sciècle-Atmosphäre ist die Wiener Institution angekommen – in der dritten Generation …
Manchmal wird aus einem Lebenswerk ein Phänomen. Denn es sind immer die Menschen, die einen Gastronomiebetrieb ausmachen. Günter Hawelka lebt für die Tradition. Auch seine Söhne Michael und Amir haben Feuer gefangen: „Als Kaffeesieder besitzen wir ein ungeheures Potenzial.“ Und als Kaffeehaus eine Geschichte, die bis ins Jahr 1939 zurückreicht. Dann nämlich wurde das Hawelka in der Dorotheergasse 6 vom Großvater Leopold Hawelka gegründet. Die heutige Touristenattraktion befindet sich kaum mehr als hundert Meter vom Stephansdom entfernt – vielleicht eine kleine Inspiration für Ihren nächsten City-Trip in die Kaffee-Kulturhauptstadt Wien!
Pappbecher? Verpönt!
Auf der heiter-melancholischen Insel im Tagesfluss – einem leichtlebigen Zwischenstopp im Wurmloch der Ewigkeit – ist die Welt noch in Ordnung: Morgens gibt´s „a Gugelhupf“. Kaffee nach amerikanischem Vorbild ist „a Schmäh“. Veränderungen bei Mokka und Co.? Ein Sakrileg. Nicht einmal Cappuccino wird serviert: „Wir empfehlen dann die Wiener Variante: eine Mélange.“ Denn in dem idyllisch-verschrobenen Kaffeehaus ist die Zeit stehen geblieben. Alles ist noch exakt wie nach der Jahrhundertwende, Renovieren tabu. Michael Hawelka: „Da wird höchstens mal a bissl was abgestaubt und wenn was zusammenfällt, einfach geklebt.“ Besonders Pappbecher sind verpönt: „Dann wäre ja die ganze Kaffeehaus-Kultur zum Teufel.“
Eines der letzten Refugien der „Bohème“
Stattdessen bestellt man lieber einen „Einspänner“ mit dicker Schlagoberst-Haube, dazu Zwetschgenkuchen oder Sacher Torte, später dann Gösser Bier aus kleinen Flaschen und „Buchteln“ mit einer dicken Schicht Puderzucker, wie sie Josefine Hawelka noch bis kurz vor ihrem Tod selbst für ihre Gäste gebacken hat. Die legendären Ofennudeln besang in den Siebziger Jahren auch Georg Danzer in seinem damaligen Nummer-Eins-Hit „Jö schau“, eine augenzwinkernde Hommage an eines der letzten Refugien der „Bohème“. Darin begehrt ein nackter Mann Einlass in das Kult-Café: „Sie wissen wohl nicht, wer i bin, a wann mi kaner kennt, i bin sehr prominent: als elegantester Flitzer von Wien.“
Sehen & Gesehen werden …
Fakt ist: Wiens Kaffeehäuser sind seit jeher ein glücklicher Ort für Exzentriker aller Couleur – Künstler, Maler, Dichter, Frei- und Vordenker. Philosophieren, Debattieren und gern auch mal geistvoll Tratschen sind ausdrücklich erwünscht, Spießer-Moral und Engstirnigkeit jedoch am nostalgischen Portal abzugeben. Dort herrscht auch heute noch ein reges Kommen und Gehen der Stars und Sternchen, wo früher Oskar Werner, Andy Warhol, Grace Kelly, Peter Ustinov, Hans Moser und André Heller verkehrten.
Arthur Miller traf auf Elias Canetti
In den 50er Jahren war das berühmte Café ein existenzialistisch angehauchtes Eldorado für Intellektuelle – mit Sinn für das Poetische, Makabre und Unkonventionelle, Vorlieben für entlegene Sprachen sowie einer Neigung zum Fantasieren und Fabulieren. Während der Sechziger und Siebziger ist das Hawelka ein geistig-kultureller Schmelztiegel für Persönlichkeiten wie Arthur Miller oder den russischen Literatur-Nobelpreisträger Elias Canetti. Die Großen der Kunst werden ebenso selbstverständlich bedient wie unbekannte Selbstdarsteller. Prominente? Sind einfach nur nette Gäste …
Literatur
Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Kremayr & Scheriau Wien 1992, Band 1, S. 536
Franz Hubmann: Café Hawelka. Ein Wiener Mythos. Christian Brandstätter, Wien 2001
Sonja Moser: Das Hawelka. Geschichte & Legende. Pichler Verlag, Wien 2009
Weblink: https://hawelka.at/