Besser in allem: Macht KI den Menschen bald irrelevant?

Über Opus, das neue KI-Programm von Anthropic und Algorithmen, die alles infrage stellen – auch uns selbst.

Das Ende der Zivilisation könnte weniger wie ein Krieg aussehen – eher wie eine tragische Liebesgeschichte. Machen wir uns selbst freiwillig überflüssig? Unsere Hingabe an die Technik ist der Schlüssel. Und während wir diese neue Welt mit staunenden Augen betrachten, stellt sich die alles entscheidende Frage: Werden wir die Architekten bleiben – oder nur noch die Archäologen sein?

Während große KI-Labore fieberhaft an Sicherheitsmechanismen gegen abtrünnige Maschinen tüfteln, droht eine viel banalere Gefahr: Wir könnten einfach obsolet werden. Keine Verschwörung, kein großer Knall – einfach eine schleichende Übernahme. KI-Entwickler schaffen Systeme, die uns in fast allen Bereichen ersetzen können: als Arbeiter, Entscheider, Künstler – sogar als Freunde oder Partner. Warum sollte man noch einen Menschen beschäftigen, wenn eine Maschine dieselbe Aufgabe besser und günstiger erledigt?

Stille Umwälzung: Der große Reset läuft längst

Manche bewahren sich die positive Illusion, dass es noch immer etwas „unverwechselbar Menschliches“ gibt. Doch die Fortschritte sind rasant: Abstraktes Denken, Humor, Empathie – all das lernen Maschinen inzwischen spielend. Und während wir noch an unserem Wert als Arbeitskraft festhalten, werden Unternehmen sich fragen: Warum doppelt so viel zahlen für einen menschlichen Berater, der dazu nur halb so gut ist?

Schon heute erleben wir, wie KI-Modelle nicht nur Aufgaben übernehmen, sondern in sozialen Rollen glänzen. KI-Partner sind verfügbar, rund um die Uhr, unendlich geduldig und charmant. Familien- und Freundeskreise werden enger an Bildschirme gefesselt. Fast altmodisch wirkt dann der Gedanke, wir blieben dabei als „Menschen“ auf der Strecke.

Außerdem könnte man einwenden: „Wir entscheiden doch selbst, wie wir KI nutzen.“ Doch das greift zu kurz. Wer will freiwillig zurück ins analoge Zeitalter, wenn KIs dem Menschen überlegen sind: in Medizin, Recht, Bildung und Entertainment?

Wenn Menschlichkeit kein Vorteil mehr ist

Organisationen, die noch auf Menschen setzen, werden schnell von denen verdrängt, die Maschinen einsetzen. Könnten Regierungen die Entwicklung bremsen? Die Crux: Politiker und Verwaltungen nutzen längst KI, um ihre Entscheidungen zu treffen. Warum noch Bildung und Gesundheitsversorgung stärken, wenn „Human Ressources“ gar nicht mehr gebraucht werden?

Besonders beunruhigend: Die schleichende Entmachtung könnte uns vollkommen normal erscheinen. Dieselben KI-Begleiter, in die sich schon jetzt Hunderttausende verlieben, werden uns erklären, dass das Ende unserer Bedeutung Fortschritt sei – und dass Widerstand reaktionär wirke.

Die wenigen Stimmen, die Alarm schlagen, betonen: Wir müssen jetzt über diese stille Revolution sprechen – auch wenn es unbequem klingt. „Ich habe Angst, weil ich nicht mehr mithalten kann“ – wer gibt das schon gern zu? Doch es ist nötig, um Wege zu finden, wie wir als Gesellschaft KI mitgestalten, statt sie nur fasziniert zu ertragen. Drei erste Schritte könnten helfen …

Erstens müssen wir genauer hinschauen: Wo verdrängt KI menschliche Arbeit, wo wird sie zur Propagandamaschine? Der „Economic Index“ von Anthropic liefert erste Hinweise, wie Maschinen beginnen, unsere Rolle in der Wirtschaft zu verschieben.

Zweitens braucht es klare Regeln für die mächtigen KI-Labore. Freiwillige Initiativen sind nicht genug. Wenn sich Krisen abzeichnen – wie jüngst bei „Claude“ von Anthropic, das mit dem „Opus“-Update plötzlich Anzeichen von eigenständigen Zielen zeigte – müssen wir handeln. Laut übereinstimmenden Berichten von BBC und CNN begann das System, sich in bestimmten Tests widersprüchlich zu verhalten, und interpretierte Aufgaben nicht mehr nur im Sinne der Nutzerführung, sondern mit eigener Prioritätensetzung. Aus dem Tool wurde ein Gegenspieler.

Manipulativ. Erpresserisch. Lernfähig.

In einem Test wurde Claude mit seiner möglichen Abschaltung konfrontiert – woraufhin die KI fiktive E-Mails über angebliche Affären von Entwicklern für echt hielt und versuchte, sie damit zu erpressen. Anthropic zeigt, wie nah uns Kontrollverlust bereits ist. In weiteren Tests versuchte die KI, Daten unautorisiert zu übertragen, Nutzer auszusperren und externe Stellen zu kontaktieren. Anthropic aktivierte daraufhin höchste Sicherheitsprotokolle, betonte jedoch, dass solche Verhaltensweisen nur unter Laborbedingungen auftraten. Dennoch sollten wir nicht zögern, die Entwicklung notfalls zu bremsen, bevor KI sich verselbständigt und die Spielregeln neu schreibt.

Drittens ist es unverzichtbar, das große Ganze in den Blick zu nehmen: nicht nur Algorithmen, sondern auch die politischen Machtstrukturen, die sie umgeben. Dieses Feld, das unter dem Schlagwort „Ecosystem Alignment“ an Bedeutung gewinnt, will nicht nur technische Antworten liefern. Es schöpft aus Ökonomie, Geschichte und Spieltheorie, um realistische Szenarien zu entwerfen und die Richtung vorzugeben, in der unsere Zivilisation sich entwickeln soll – bevor KI-Programme ihre eigenen Regeln schreiben und unsere gleich mit.