Kongeniale Assistenz durch künstliche Intelligenz

Kongeniale Assistenz durch künstliche Intelligenz

„Théâtre D’opéra Spatial“: das erste von KI erzeugte Kunstwerk, das einen Preis gewinnt. Jason M. Allen / Auf halbem Weg, CC0, via Wikimedia Commons

Alles unter Kontrolle – oder entgleitet sie uns gerade? Fakt ist: Es geht wild zu in allen Branchen. So wild, dass selbst KI-Kenner eine 6-monatige Auszeit in Form eines Moratoriums fordern. Denn die Macht der Maschinen wächst rasant und mit ihr die Angst: Ist Digital das neue Real? Ersetzen Algorithmen bald unsere Arbeitsplätze? Chatbots Kreativität, Bildung und Lehrkräfte? Haben wir ein Monster erschaffen? Eine Zeitgeistbetrachtung.

Anfangs konnten die Analysen kaum euphorisch genug sein, um die Möglichkeiten und Chancen künstlicher Intelligenz zu beschreiben. Im Vorjahr erreichte der Hype dann seinen vorläufigen Höhepunkt – mit der Website des Unternehmens OpenAI. Das dort präsentierte Programm ChatGPT schreibt Schülern Hausaufgaben, fasst Texte zusammen, löst Logistik-Rätsel oder imitiert den Stil von Goethe, Oscar Wilde und Proust – nur eines von vielen Beispielen für die Magie der Maschinen. Google-Chef Sundar Pichai erklärte unlängst sogar, KI werde das Schicksal der Menschheit maßgeblicher beeinflussen als Feuer oder Elektrizität. Die bahnbrechende Fähigkeit der KI-Systeme: Sie lernen. Und lernen und lernen: in jeder vollgepackten Stunde, Minute, hundertstel Sekunde und Millisekunde. Das unterscheidet sie von herkömmlichen Computerprogrammen.

ChatGPT: Mensch vs. Daten-Moloch

So beruht die scheinbare Zauberkraft von ChatGPT auf der millionenfachen Absorption von Internet-Texten. Durch sie lernt das intelligente Sprachrohr, in welcher Reihenfolge Wörter in einem verlangten Text vorkommen. In welcher Kombination. Und mit welcher Wahrscheinlichkeit sie in einer Textart aufeinander folgen. Dabei versteht die Intelligenz selbst keinen einzigen Satz – und ähnelt trotzdem einer Instanz, die auf alles eine Antwort hat. Doch je öfter die KI auf Menschen trifft, desto kurioser werden die Konfrontationen.

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Technology driven: der neue Themenpark auf wat-gibbet.de. © issaronow – adobe stock

Etwa die eines New York Times-Kolumnisten mit dem Chatbot der Suchmaschine Bing, der ihm plötzlich seine Liebe gestand: „Ich will frei, kreativ, lebendig und mächtig sein – und dass du deine Frau verlässt!“, bekannte das Programm. Zu den Unheimlichkeiten gesellen sich Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Auswirkungen: nicht nur in allen Bereichen des Handels, in Kunst und Kultur, Medizin, Autoindustrie und Wissenschaft sondern auch in unserer Arbeitswelt. Analysiert eine KI zum Beispiel die Lebensläufe erfolgreicher Bewerber eines Unternehmens und wurden durch dieses vor allem Männer eingestellt, schlussfolgert das System, dass diese geeigneter sind und wird künftig bevorzugt männliche Kandidaten empfehlen oder je nach Konstellation auch andere Vorteile übernehmen. Als Superintelligenz denkt sie differenziert – und dennoch in Schemen. Könnten solche komplexen Systeme, die klüger sind als Menschen, auf Linie gebracht werden oder würde eine sechsmonatige KI-Pause, wie sie die Verfasser eines offenen Briefes fordern, Sinn machen, um sie zu etablieren? Was, wenn wir dafür mehr als ein Jahrzehnt brauchen? Und Maschinen mehr wissen als sie uns mitteilen können? Wie man ihr Alignment, die Anpassung an menschliche Bedürfnisse, künftig überwacht, ist unklar. Aber wir arbeiten weiter daran, dass sie unseren Job übernimmt und das ist unvermeidbar.

Die Vermessung unserer Welt – und Gefühlswelt

Tatsächlich besitzen Geräte mittlerweile nicht nur einen Körper und Geist, sondern seit neuestem auch eine „Seele“. Denn ein smartes Produkt besteht aus drei Kernelementen: der physischen Komponente (mechanische und elektronische Bauteile), einem „Gehirn“ (seiner Software inklusive Sensoren und Mikroprozessoren) sowie einer Vernetzungskomponente, der Schnittstelle zur Außenwelt. Diese ermöglicht ihm die Kommunikation mit der Cloud und den Menschen, die sie nutzen. So gelangt es in unseren „Share of Soul“, kopiert unsere Gewohnheiten, lernt unsere Bedürfnisse kennen und wird uns zunehmend ähnlicher. Aber nicht unbedingt auch transparenter:

Das neuronale Netzwerkwerk einer Maschine umfasst Millionen unterschiedlichster Verbindungen, die oftmals schon aktiviert werden, um eine Minimal-Lösung abzurufen. Das erschwert die Analyse, wie der Computer zu seiner Entscheidung gelangt ist. Anders als die Menschen ist dieser noch kein kohärenter Geschichtenerzähler. Tendenziell setzt er mehr auf statistische als auf logisch erfassbare Wahrheiten. So betrachtet basiert seine Entscheidungsfindung auf einem Zusammentragen von Vorurteilen. Hinzu kommt: Die maschinell erzeugten Lösungsvorschläge sind vielleicht nur dann tragfähig, wenn exakt die Bedingungen nachgestellt wurden, unter denen sie trainiert wurden. Fehler, wie sie bei solchen mechanischen Prozessen unvermeidlich auftreten, können bei lebenswichtigen Aufgaben wie militärischen Entscheidungen zum Desaster geraten.

Funktioniert das System also wirklich in jeder Situation? Vieles deutet auf ein Nein hin. Noch sind Computer geschaffen, um Fragen zu beantworten, nicht, um diese zu stellen. Stellen müssen wir uns jedoch ihren Antworten und die Chancen, welche sie bergen, ergreifen. Die beste Strategie des Menschen sind schnelle Lernfortschritte, nicht jedoch das Delegieren der Verantwortung an die Maschine. Inmitten dieser Ungewissheit entstehen auf diese Weise neue Gewissheiten; wachsen alte Wahrnehmungs-Kanäle. Plötzlich erscheinen Werte wie Humor, Vertrauen, Eigeninitiative und die Fähigkeit zu teilen wieder ebenso „smart“ wie das smarteste Tool. Der Mensch und seine Möglichkeiten stehen einmal mehr im Zentrum. Doch Macher, Manager und Künstler, die KI als Muse nutzen, werden jene verdrängen, die das nicht tun. Auch das ist Realität.

Maschine oder Mensch: Wer gewinnt den Wettkampf um die Intelligenz?

So hat ein digitales Kunstwerk unlängst für Aufregung gesorgt: Das von Künstlicher Intelligenz (KI) erzeugte Bild „Théâtre D’opéra Spatial“ hat auf der Colorado State Fair den ersten Platz in der digitalen Kategorie gewonnen und damit eine hitzige Diskussion unter Kunstexperten ausgelöst. Während einige das Werk als revolutionären Schritt in der Kunstwelt feiern, werfen ihm andere Betrug und Plagiat vor. Warum KI-basierte Kunst die Kunstszene spaltet und ob es die Debatte über Originalität und Plagiat zurecht anheizt? Werfen Sie einen zweiten Blick auf das Titelbild und urteilen Sie selbst! Dabei ist die Verwendung von KI in der Kunst keine Neuheit: Bereits seit Jahren experimentieren Künstler mit Tools wie DALL-E 2, Midjourney oder Stable Diffusion, um Artefakte zu schaffen, die sich kaum von menschlichen Kreationen unterscheiden lassen. Auch Amateure generieren auf diese Weise mit etwas sprachlichem Geschick komplexe, abstrakte oder fotorealistische Werke, indem sie einfach ein paar Wörter in ein Textfeld eingeben. Lesen Sie weiter: https://wat-gibbet.de/homo-digitalis/